Überstunden werden von Unternehmen nicht gerne gesehen, weil sie angeblich hohe Kosten verursachen. In der Wissenschaft werden sie gar als Beispiel für überproportional steigende Kosten bei Mengensteigerungen herangezogen (Vgl. z. B. Wöhe, 25. Auflage, S. 314). Entgegen diesen Aussagen wird die Analyse zeigen, dass Überstunden in vielen Fällen sogar günstiger sind als Normalstunden, wenn adäquat verglichen wird.
Überstunden werden aus unterschiedlichen Gründen eingesetzt:
- Fehlende Mitarbeiter in boomenden Regionen
- Fehlende Qualifikation von Bewerbern
- Abdeckung von saisonalen Spitzen
- Unterschreitung kritischer Betriebsgrößen
- Vorübergehende Nachfragespitzen (z. B. Weihnachten oder Großereignisse)
- Hohe Einarbeitungskosten
- Teure oder unmögliche Lagerhaltung
- Unerwarteter Nachfrageschub
Angesichts der
hohen Arbeitskosten in Deutschland können die Kosten für die Mitarbeiter nur getragen werden, wenn sie während ihrer Anwesenheit auch produktiv eingesetzt werden können. Die erste Abstimmung zwischen
Nachfrage und
Angebot von Arbeit wird üblicherweise über
Jahresarbeitszeitmodelle durchgeführt. In Anpassung an die konkreten Bedürfnisse des jeweiligen Marktes wird immer dann lange gearbeitet, wenn es eine hohe Nachfrage nach den Produkten gibt, also mehr in der jeweiligen Hochsaison und weniger in der Nebensaison.
Wenn diese Anpassungen nicht reichen, müssen
zusätzliche Arbeitszeiten mobilisiert werden, was u. a. durch Überstunden passieren kann. Damit ist aber auch klar, dass Überstunden erst dann anfallen,
wenn die normale Arbeitszeit ausgeschöpft ist. Somit sind sie
abzugrenzen gegen Vorarbeit, die später im Jahr abgefeiert wird.
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Kostenwirkungen der Überstunden
Die Überstundenkosten durch zusätzliche Arbeitszeiten der vorhandenen Mitarbeiter müssen verglichen werden mit den Kosten einer zusätzlichen normalen Arbeitsstunde oder mit einer Zeitarbeiterstunde. Der letztere Vergleich ist allerdings nur fair, wenn lediglich geringe Einarbeitungszeit anfallen.
Entscheidend für das Unternehmen sind die Kosten, die durch eine Stunde Anwesenheit der Mitarbeiter im Betrieb anfallen. Wesentlicher Bestandteil dieser Lohnkosten ist der sogenannte
zweite Lohn, der zum einen dafür anfällt, dass den Unternehmen
über den Bruttolohn hinaus noch viele weitere Kosten entstehen. Diese Kalkulation ist für normale Arbeitszeiten im Beitrag
Personalkosten dargestellt:
Die Kostenstruktur bei Überstunden sieht in mehrerer Hinsicht anders aus als die bei normalen Arbeitszeiten. Zwar ist der
Bruttolohn von 11,49 €/h (siehe paralleles Beispiel im Beitrag Personalkosten) im ersten Schritt der gleiche, muss aber dann um den
Überstundenaufschlag von 25 % erhöht werden. Darauf werden dann die Sozialversicherungsbeiträge gerechnet. Es ergeben sich somit folgende gerundete Werte:
Bruttostundenlohn:
|
11.49 €/h
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25 % Zuschlag für Stunde 1+2 an Werktagen
|
2,87 €/h
|
Zwischensumme für Sozialversicherung
|
14,36 €/h
|
20 % AG-Sozialversicherung
|
2,87 €/h
|
Überstundenkosten für Stunde 1+2 an Werktagen
|
17,23 €/h
|
Die anderen Kostenarten – insb. die des zweiten Lohns - ändern sich nicht und nur minimal, wenn Überstunden gefahren werden. Denn es gibt keinen zusätzlichen
Urlaub, mehr
Feiertage, größere
Zuschüsse zum Mittagessen usw.. Obwohl die
Flexibilitätspluspunkte und weitere Vorteile der Überstundenarbeit noch gar nicht berücksichtigt wurden, kann man schon ein erstes Ergebnis festhalten:
Überstunden im Normalbereich (bis 2 Überstunden pro Tag) sind wesentlich günstiger als Normalarbeitsstunden, für die ein Satz von 22,50 €/h (siehe Personalkosten) ermittelt wurde.
Wenn
höhere Zuschläge zu zahlen sind (z. B. 50 % an Sonntagen), so
verringert sich die Vorteilhaftigkeit von Überstunden. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass die Zuschläge an Sonntagen (nicht an Samstagen) und an Feiertagen nicht der
Sozialversicherung unterliegen, weder für den Arbeitnehmer, noch für den Arbeitgeber. Insofern liegen die Kosten immer noch unter denen einer Normalarbeitsstunde wie die folgende Rechnung zeigt:
Bruttostundenlohn:
|
11.49 €/h
|
50% Zuschlag am Sonntag:
|
5,74 €/h
|
Grundlage für Sozialversicherung
|
17,23 €/h
|
20% AG-Sozialversicherung (nicht auf Zuschlag)
|
2,30 €/h
|
Überstundenkosten am Sonntag
|
19,53 €/h
|
Selbst Überstunden an Sonntagen sind somit für das Unternehmen häufig günstiger als Normalarbeitszeit. Anders sieht es natürlich aus, wenn die übliche Arbeitszeit auch am Sonntag geleistet wird. Der Grund ist wiederum der gleiche: Mit den
1600 Normalarbeitsstunden sind fast alle Teile des zweiten Lohns bezahlt. Mit Ausnahme der Arbeitgeber-Sozialversicherungsbeiträge belastet der zweite Lohn die Überstundenkosten nicht mehr.
Noch vorteilhafter sind die
Überstunden am Sonntag (und erst recht die an Feiertagen) für die
Arbeitnehmer, da sie weder Steuern noch Sozialabgaben auf die Zuschläge zahlen müssen. Teilweise verdoppelt sich ihr Nettolohn. Insofern haben viele Unternehmen keine Schwierigkeiten, Mitarbeiter für - auf den ersten Blick - wenig attraktive Arbeitstage zu finden.
Interessant ist auch, dass
Überstunden - richtig ermittelt - häufig
günstiger als Zeitarbeit sind. Im Beispiel aus dem Beitrag Personalkosten war die Zeitarbeit mit 18 €/h zwar günstiger als die Normalarbeitsstunde, aber die Überstunde ist noch günstiger, wobei die weiteren Vorteile wie keine Einarbeitung, höhere Flexibilität usw. noch gar nicht betrachtet wurden.
Auch wenn Überstunden rein rechnerisch in einem weiten Bereich günstiger sind als Normalarbeitsstunden, so müssen sie dennoch mit Augenmaß eingesetzt werden. Neben Einschränkungen tariflicher und arbeitsrechtlicher Art darf die
Gesundheit und die Motivation der Mitarbeiter nicht gefährdet werden. Übertreibungen würden sich in
nachlassender Produktivität und in einem
Ansteigen der Krankheitsrate zeigen.
Maßvolle Überstunden hingegen sind für die Unternehmen fast immer vorteilhaft. Dies gilt nicht nur für die Bewältigung von Spitzennachfrage, sondern sogar auch für gleichmäßig anfallende Überstunden. Ein flexibles Reagieren auf Markterfordernisse braucht also nicht an den Personalkosten zu scheitern. Ggf. kann man den Mitarbeitern vorrechnen, wie positiv sich ihre Nettolöhne entwickeln, wenn sie Überstunden akzeptieren.
letzte Änderung P.D.P.H. am 31.08.2021
Autor(en):
Dr. Peter Hoberg
Bild:
panthermedia.net / Dmitriy Shironosov
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Autor:in
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Herr Prof. Dr. Peter Hoberg
Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Worms. Seine Lehrschwerpunkte sind Kosten- und Leistungsrechnung, Investitionsrechnung, Entscheidungstheorie, Produktions- und Kostentheorie und Controlling. Prof. Hoberg schreibt auf Controlling-Portal.de regelmäßig Fachartikel, vor allem zu Kosten- und Leistungsrechnung sowie zu Investitionsrechnung.
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31.01.2015 16:26:46 - Winfried Eitel
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