
Gute Entscheidungen setzen voraus, dass richtige Informationen über Produkte, Länder, Kunden usw. vorliegen. Das gilt insb. für Finanzzahlen. Diese fangen meistens mit den Umsätzen an, ohne dass immer klar wird, welche Umsätze denn gemeint sind. Umsätze stellen das Produkt aus Menge und Preis dar. Es gibt somit eine Mengen- und eine Wertkomponente. Bei der Menge ist es offensichtlich, dass ein Unternehmen nur an den Mengen interessiert ist, die auch fakturiert werden können. Mengen aus Naturalrabatt (also ohne Berechnung) müssen für die Deckungsbeitragsrechnung separat erfasst werden. Dies kann im internen Rechnungswesen wie folgt geschehen:
- als Erlösschmälerung im Nettopreis
- als Marketing- oder Vertriebskosten
- oder als zusätzliche Absatzmengen ohne Berechnung
In den ersten beiden Fällen wird dann nur die fakturierte Absatzmenge erfasst. Entscheidend ist, dass je nach Version die weiteren Deckungsbeitragskalkulationen die Art der Verrechnung berücksichtigen. Wenn nur die fakturierten Umsätze reportet werden, dann müssen die Mehrkosten entweder in die Marketing- oder Vertriebskosten gebucht werden oder über erhöhte Produktionskoeffizienten in die Cogs (cost of goods sold) gebucht werden. Auch bei Investitionsprojekten muss die fakturierbare Menge genau ermittelt werden. Dies erfolgt über die
Differenzmethode, mit der nur die zusätzlich ausgelösten Mengen dem Projekt zugeschrieben werden.
Bei den Preisen sollten die Nettopreise im Vordergrund stehen, also nach Berücksichtigung aller Rabatte und aller Effekte der Zahlungsziele (vgl. Varnholt/Lebefromm/Hoberg, S. 126-128). Diese werden üblicherweise in so genannten Jahresgesprächen einmal pro Jahr verhandelt. In der Praxis gibt es eine Vielzahl von Rabatten, die in einer mehrstufigen Kalkulation ermittelt werden. Im Englischen nennt man die Abfolge der vielen Rabatte auch "price waterfall" Um zu den eigentlich gewünschten Nettopreisen zu kommen, die dem Unternehmen dann wirklich zur Verfügung stehen, müssen mindestens 4 Korrekturschritte berücksichtigt werden, von denen jeder wiederum viele Nachlassschritte enthalten kann:
- Rabatte in der Rechnung
- Rabatte nach der Rechnung (bei der Bezahlung)
- Rückvergütungen am Periodenende (meistens am Jahresende)
- Effekte von Zahlungszielen.
Zu a.: An diese Art von Rabatten denken noch die meisten Unternehmen, da sie diese Rabatte in der Rechnung an den Kunden ausweisen. Es können Rabatte sein für Mengen, Sortimente, Aktionen, Jahreszeiten usw., wobei in der Praxis häufig keine Gegenleistung für die Rabatte geboten wird. Es handelt sich dann einfach um Erlösschmälerungen.
Zu b.: Mit dem Kunden wird ausgemacht, dass er die Rechnung nicht vollständig bezahlen muss. Neben dem Skonto gibt es eine Vielzahl von weiteren Rabatten, die auf dieser Stufe abgezogen werden. Häufig sind es WKZ (Werbungskostenzuschüsse), die anfallen. Es gibt in Deutschland Handelsunternehmen, die fast alle Rabatte auf dieser Stufe erhalten.
Zu c.: Am Ende eines Jahres fallen häufig noch Rückvergütungen an, wenn der Kunde z. B. eine bestimmte Menge oder einen bestimmten Umsatz überschritten hat.
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Zu d.:Schlussendlich dürfen die Zahlungsbedingungen nicht vergessen werden, auch wenn zurzeit das Zinsniveau sehr niedrig ist. Der Lieferant erhält sein Geld meistens erst lange Zeit nach der Lieferung, entsprechend dem Zahlungsziel (plus der nicht genehmigten aber geduldeten Überziehungen). Diese Beträge müssen finanziert werden.
Im folgenden Beispiel sei die Rechnungsweise dargestellt. 4 unterschiedliche Kunden erhalten ein bestimmtes Produkt, wobei sie ganz unterschiedliche Rabattstrukturen aufweisen. Kunde 1 erhält in der Rechnung 10% Rabatt, so dass der Rechnungsbetrag 9,00 Euro/ME lautet (Zeile 3). Davon darf er bei der Bezahlung vereinbarungsgemäß 20% abziehen, so dass er - nach 60 Tagen - nur 7,20 Euro/ME überweist (Zeile 5). Am Ende des Jahres zieht das Unternehmen nochmals 0,45 Euro/ME als Rückvergütung ab, weil es z. B. das Mengenziel erreicht hat.
Damit beträgt der Nettopreis vor Verrechnung der Zahlungsziele 6,75 Euro/ME (Zeile 7). Jetzt muss noch berücksichtigt werden, wann die Zahlungen im Unternehmen anfallen. Der Preis wird vom Kunden 1 erst 60 Tage nach Lieferung bezahlt. Da der Lieferant solange die Forderung finanzieren muss, wird der Betrag mit dem Monatszinssatz von 0,5% abgezinst werden, so dass zum Lieferzeitpunkt nur noch 7,129 Euro/ME übrig bleiben (Zeile 9). Details zur Vorgehensweise finden sich im Beitrag "
Datenaufbereitung".
Da die Rückvergütung vom Lieferanten erst am Jahresende zu leisten ist, entsteht damit ein kleiner Zinsvorteil. Durchschnittlich wird zur Mitte des Jahres geliefert. Auf diesen Zeitpunkt muss dann auch die Rückvergütung abgezinst werden. Aus 0,45 Euro/ME wird dann 0,437 Euro/ME. Jetzt erst kann der tatsächliche Wert zur Periodenmitte (z. B. 30.6.) ermittelt werden. Er beträgt 6,692 Euro/ME und liegt fast 1% unter dem Nettopreis in Zeile 7. Wenn man bedenkt, dass viele Unternehmen eine Umsatzrendite von unter 1% haben, ist dieser Effekt häufig wesentlich.
Grafik: Dr. Peter Hoberg
Die gleichen Rechnungen werden auch für die anderen Kunden durchgeführt. Kunde 2 hat zwar im Beispiel einen deutlich höheren Listenpreis, bringt dem Unternehmen aufgrund der höheren Rabatte und längeren Zahlungszielen aber einen geringeren Nettopreis nach allen Verzinsungen (Zeile 11). Die Rabattstrukturen sind auch in der Realität von Kunde zu Kunde sehr unterschiedlich. Für das Unternehmen ist es sehr wichtig, am Ende - siehe Zeile 11 - einen guten Nettopreis nach Zahlungsziel zu bekommen. Erst auf dieser Ebene kann entschieden werden, welcher Kunde einen besseren Preis bringt. Damit kann das Unternehmen dann die Kundendeckungsbeiträge ermitteln, mit denen dann endgültig entschieden werden kann, welche Kundenbeziehung vorteilhaft ist und welche nicht.
Im Weiteren sei auf die Notwendigkeit hingewiesen, die zu betrachtende Periode genau festzulegen. Insbesondere in saisonal geprägten Branchen (z. B. Touristik) können sich die Preise von Woche zu Woche ändern. Die obigen Rabatte sind stark vereinfacht dargestellt. Jede der 4 Stufen kann wiederum aus mehreren Reduktionen bestehen, die ihrerseits ent-weder als Festbeträge oder als mengen- bzw. umsatzabhängige Größen auftreten können. Welche Probleme können im Zusammenhang mit den Nettopreisen auftreten? Neben den Schwierigkeiten, die komplizierten Zusammenhänge richtig im EDV-System abzubilden, warten einige Fallen:
- Nachträgliche Forderungen nach Abschluss der Jahresgespräche: Hier ist der Handel sehr erfinderisch und versucht ständig, neue Anlässe für zusätzliche Rabatte zu finden. Sehr beliebt sind irgendwelche Jubiläen als Anlass für Nachforderungen.
- Mündliche Nebenabsprachen: Auch wenn sie eigentlich im Vertrag ausgeschlossen sind, tauchen solche teuren Versprechen nicht selten am Jahresende auf, weil der Vertrieb ihre Existenz früher nicht zugeben wollte.
- Rechnungslisten: Bei zahlreichen Aufträgen werden die Rechnungen z. B. eines Monats in einer Rechnungsliste gebündelt. Dabei wird häufig getrickst, indem das Zahlungsziel erst nach der Monatsmitte startet. Auch die Berücksichtigung von Bearbeitungstagen - natürlich zinslos - gehört ebenso in die Trickkiste wie das systematische Überziehen der vereinbarten Termine.
- Ganz gefährlich sind Sortimentsrabatte, bei denen Rabatte auf das gesamte Sortiment gegeben wird, wenn weniger attraktive Sorten mit verkauft werden. Wer dann die zusätzlichen Erlöse der schwachen Sorten ausrechnet, wird häufig erschreckend geringe Beträge feststellen.
- Um für das Unternehmen gute Nettopreise am Markt durchzusetzen, muss auch das Entlohnungssystem die richtige Basis haben. Auf keinen Fall sollten Mengenvorgaben gemacht werden oder Bruttoumsatzvorgaben. Insb. die Vertriebsleitung und die Kundenmanager (KAMs: key account manager) sollten als Ziel den Vertriebsdeckungsbeitrag erhalten, der die richtige Ermittlung der Nettoumsätze voraussetzt.
Die Ausführungen haben gezeigt, dass ein zielgerichtetes Steuern des Unternehmens u. a. voraussetzt, dass die Nettopreise richtig ermittelt werden. Wenn das Unternehmen hier Schwächen zeigt, können die Gewinnziele schnell verfehlt werden.
Literatur: Varnholt, N., Lebefromm, U., Hoberg, P.: Controlling – Betriebswirtschaftliche Grundlagen und Anwendung mit SAP® ERP®, München 2012.
letzte Änderung W.V.R. am 16.09.2019
Autor(en):
Dr. Peter Hoberg
Bild:
panthermedia.net / Jan Prchal
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