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Bestandsveränderungen: Unterscheidung zwischen Herstellkosten der Produktion und Herstellkosten des Umsatzes

Dipl. Volkswirt Friedrich Schnepf
Werden nicht alle Erzeugnisse, die in der Betrachtungsperiode hergestellt wurden, in der gleichen Periode auch verkauft, so haben sich die Bestände an fertigen und/oder unfertigen Erzeugnisse verändert, es liegen also Bestandsveränderungen vor.

Das Vorliegen von Bestandsveränderungen ist die Regel, denn es ist schwer vorstellbar, dass in einem Unternehmen in jeder Periode genau so viel produziert wie verkauft wird. Ausnahmen stellen lediglich Betriebe dar, die nicht lagerfähige Produkte wie z. B. Strom oder Transportleistungen herstellen. Liegen in einer Periode Bestandsveränderungen vor, so ist zwischen Herstellkosten der Produktion und Herstellkosten des Umsatzes zu unterscheiden.

Die Zahlen der Buchhaltung liefern die Kosten, die für die in einer Periode hergestellten Erzeugnisse entstanden sind, also die Herstellkosten der Produktion. Wurde weniger verkauft als hergestellt, so müssen die Herstellkosten der verkauften, also umgesetzten Erzeugnisse geringer sein als die Herstellkosten der produzierten Erzeugnisse. Man stelle sich einen neu gegründeten Betrieb vor, der zwar schon Produkte herstellt, aber wegen eines noch nicht vorhandenen Vertriebsnetzes noch nichts verkauft. Alle produzierten Erzeugnisse liegen auf Lager. 


In diesem Fall sind Herstellkosten der Produktion entstanden, während sich die Herstellkosten für die umgesetzten, also verkauften Erzeugnisse auf Null belaufen. Die produzierten Erzeugnisse, bewertet zu Herstellkosten, erhöhen den Lagerbestand des Unternehmens. Angenommen, es sind Produkte im Wert von 100.000 € (Herstellkosten) erzeugt worden, so lassen sich die Herstellkosten der umgesetzten Erzeugnisse folgendermaßen ermitteln:

Herstellkosten der Produktion     100.000
Bestandsmehrung 100.000
= Herstellkosten des Umsatzes 0



Der umgekehrte Fall liegt vor, wenn ein Unternehmen die Produktion in der Betrachtungsperiode schon eingestellt hat, es befinden sich jedoch noch Erzeugnisse im Wert von 100.000 € (Herstellkosten) auf Lager, die nun verkauft werden. Da nicht mehr produziert wird, betragen die Herstellkosten der Produktion Null. Wenn sämtliche, zu Beginn der Periode auf Lager befindlichen Erzeugnisse im Lauf der Periode verkauft werden, betragen die Herstellkosten der umgesetzten Erzeugnisse 100.000 €. Die Herstellkosten der umgesetzten Erzeugnisse lassen sich also folgendermaßen ermitteln:   

Herstellkosten der Produktion 0
+ Bestandsminderung     100.000
= Herstellkosten des Umsatzes 100.000


Die Herstellkosten der Produktion unterscheiden sich von den Herstellkosten des Umsatzes einer Periode also um die Bestandsveränderungen an fertigen und unfertigen Erzeugnissen:

Herstellkosten der Produktion
+ Bestandsminderung        
Bestandsmehrung
= Herstellkosten des Umsatzes


Der Unterschied zwischen den HK der Produktion und den HK des Umsatzes ist aus folgendem Grund von Bedeutung:

Die meisten Unternehmen benutzen die Herstellkosten des Umsatzes und nicht die Herstellkosten der Produktion als Zuschlagsgrundlage für die Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten.

Warum die HK des Umsatzes als Zuschlagsgrundlage für diese beiden Bereiche verwendet werden, lässt sich zumindest für den Vertriebsbereich begründen:

Die Höhe der Vertriebsgemeinkosten hängt eher mit der Anzahl der verkauften als mit der Anzahl der hergestellten Produkte zusammen. Je mehr verkauft wird, desto größer ist die Aktivität im Vertriebsbereich und desto höher sind dann auch die Kosten. Im Verwaltungsbereich ist dieser Zusammenhang nicht so offensichtlich, deshalb werden in Ausnahmefällen in diesem Bereich auch die Herstellkosten der Produktion als Zuschlagsgrundlage verwendet.

Bevor also die Zuschlagsätze für den Verwaltungs- und Vertriebsbereich ermittelt werden können, sind die Herstellkosten des Umsatzes zu errechnen.

Wir sehen uns nun einen Betriebsabrechnungsbogen (BAB) an:


Material Fertigung Verwaltung Vertrieb
Hilfs- und Betr. Stoffe 4.000 8.000 - -
Gehälter 2.500 2.500 12.500 12.500
Sozialkosten 250 7.250 1.250 1.250
AfA 3.200 6.400 4.800 1.600
Zinsen 5.000 10.000 3.000 2.000
Summe: 14.950 34.150 21.550 17.350

Die Materialeinzelkosten sollen nach wie vor 100.000 € und die Fertigungslöhne 70.000 € betragen. Zusätzlich wird folgende Annahme gemacht: Der Bestand an Fertigerzeugnissen hat sich in der Betrachtungsperiode um 20.000 € verringert und die Halbfertigerzeugnisse haben um 15.000 € zugenommen.

Zunächst wird der BAB um zwei Zeilen erweitert. Es wird zusätzlich eine Zeile angefügt, in der die Zuschlagsgrundlagen für die Kostenstellen eingetragen werden. In einer weiteren Zeile erfolgt dann zunächst die Berechnung der Zuschlagsätze für den Material- und den Fertigungsbereich:


Material Fertigung Verwaltung Vertrieb
Hilfs- und Betr. Stoffe 4.000 8.000 - -
Gehälter 2.500 2.500 12.500 12.500
Sozialkosten 250 7.250 1.250 1.250
AfA 3.200 6.400 4.800 1.600
Zinsen 5.000 10.000 3.000 2.000
Summe: 14.950 34.150 21.550 17.350
Zuschlagsgrundlage 100.000 70.000
Zuschlagssatz 14.95% 48,79%

Als Zuschlagsgrundlage für die Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten sind die Herstellkosten des Umsatzes anzusetzen, die nun außerhalb des BAB ermittelt werden müssen:

MEK     100.000
MGK 14.950
FEK 70.000
FGK 34.150
HK der Produktion 219.100
+ Bestandsminderung 20.000
– Bestandsmehrung 15.000
HK des Umsatzes 224.100



Nun können die HK des Umsatzes in den BAB als Zuschlagsgrundlage im Verwaltungs- und Vertriebsbereich eingetragen und die Zuschlagsätze ermittelt werden:


Material Fertigung Verwaltung Vertrieb
Hilfs- und Betr. Stoffe 4.000 8.000 - -
Gehälter 2.500 2.500 12.500 12.500
Sozialkosten 250 7.250 1.250 1.250
AfA 3.200 6.400 4.800 1.600
Zinsen 5.000 10.000 3.000 2.000
Summe: 14.950 34.150 21.550 17.350
Zuschlagsgrundlage 100.000 70.000 224.100 224.100
Zuschlagssatz 14.95% 48,79% 9,62% 7,74%

Nun lässt sich das so genannte Kalkulationsschema zur Ermittlung der Selbstkosten einer Periode vervollständigen:

  in € in Prozent
MEK     100.000
MGK 14.950 14,95%
FEK 70.000
FGK 34.150 48,79%
HK der Produktion 219.100
+ Bestandsminderung 20.000
– Bestandsmehrung 15.000
HK des Umsatzes 224.100
+ VwGk 21.550 9,62%
+ VtGk 17.350 7,74%
Selbstkosten des Umsatzes 263.000

Die Art der Zuschlagsatzbildung im BAB beinhaltet einige Unterstellungen:

Im Materialbereich wird unterstellt, dass ein Zusammenhang besteht zwischen Materialeinzelkosten und Materialgemeinkosten. Ein Produkt B, welches doppelt soviel Materialeinzelkosten verursacht wie ein Produkt A hat auch doppelt so viel Materialgemeinkosten zu tragen.

In gleicher Weise wird unterstellt, dass es einen Zusammenhang zwischen Fertigungslöhnen und Fertigungsgemeinkosten gibt. Die folgende Tabelle soll dies verdeutlichen:

  Produkt A Produkt B Zuschl.-Satz
MEK 300.00 600.00
MGK 44.85 89.70 14,95%
FEK 100.00 200.00
FGK 48.79 97.58 48,79%
HK 493.64 987.28

Im Verwaltungs- und Vertriebsbereich wird nun unterstellt, dass es einen Zusammenhang zwischen den Gemeinkosten dieser Bereiche und den Herstellkosten des Umsatzes gibt. Für den Vertriebsbereich erscheint diese Annahme plausibel: Wenn in einer Periode viele Produkte verkauft werden, so steigen sicher auch die mit dem Verkauf einhergehenden Aktivitäten und damit Gemeinkosten im Vertriebsbereich. Es gibt in diesem Bereich also sicher eher einen Zusammenhang zwischen Gemeinkosten und Herstellkosten des Umsatzes als zwischen Gemeinkosten und Herstellkosten der Produktion.

Was den Verwaltungsbereich angeht ist der Zusammenhang zwischen Verwaltungsgemeinkosten und Herstellkosten des Umsatzes nicht so eindeutig. In den meisten Unternehmen werden trotzdem die HK des Umsatzes als Zuschlagsgrundlage angesetzt. Es sei jedoch hier schon darauf hingewiesen, dass in Ausnahmefällen Im Verwaltungsbereich die HK der Produktion als Zuschlagsgrundlage Verwendung finden.

Aufgaben zum Kapitel "Bestandsveränderungen" >>




letzte Änderung E.R. am 25.09.2022
Autor:  Dipl. Volkswirt Friedrich Schnepf

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