Ethik und
Controlling begegnen sich heute lediglich in den Schriftlichkeiten "
Compliance und
Corporate Social Responsibility" und verweilen dort meist ungelesen als Alibibeschreibungen. Der Anspruch dieser Texte ist für Führungskräfte nicht umsetzbar, da Firmenethik auf die konkrete Geschäftstätigkeit ausgerichtet sein sollte und nicht als unverbindliche Beschreibung einer Weltanschauung. Weshalb moniert das
Controlling diesen Zustand nicht?
Das Thema Ethik nimmt bereits heute unaufhaltsam Einfluss auf den
wirtschaftlichen Erfolg und die Zukunft der Unternehmen. Entsprechend sind diese täglich gefordert, in ihrem Handeln ethische und wirtschaftliche Gesichtspunkte genauer zu analysieren und in Einklang zu bringen. Es ist unschwer zu erkennen, dass sich die Lebenshaltung, Lebensgewohnheiten und Sinngebungen noch immer stark verändern.
"
Work-Life-Balance" war gestern. Arbeit und Leben verbinden ist heute angesagt. Karriere war gestern. Befriedigung und
Zufriedenheit in der beruflichen Tätigkeit wird angestrebt. Der moderne Mensch ist gut informiert und kritischer geworden. Wer als Unternehmen gegen die Moralvorstellungen der Gesellschaft verstößt, vergrault rasch Kunden und Mitarbeitende. Dies allein sollte schon genügen diese Thematik im "Controlling–Portfolio" aufzunehmen.
Widersprechen sich Wirtschaft und Ethik?
Die Wirtschaft arbeitet
zukunftsgerichtet. Denn wirtschaftlich handeln heißt, so zu handeln, dass morgen mindestens noch genauso viel oder sogar noch mehr da ist. Ein auf
langfristigen Erfolg ausgerichtetes Unternehmen
investiert heute, um morgen eine angemessene
Rendite zu erzielen, die das Überleben sichert.
Ein anderes Verständnis vertritt die bis anhin gebräuchliche Firmenethik. Im Vordergrund steht dabei nicht der Nutzen des einzelnen Unternehmens, sondern jener des gesamten Systems: "Wette die Welt, werde allen und allem gerecht". Man spricht hierbei auch vom
altruistischen Prinzip. Diese Haltung bringt jeden in ein Dilemma, weil dieser Anspruch nicht erfüllbar ist und Ethik nur noch als Feigenblatt dient. Dabei wäre die Absicht doch, Ethik als wohlwollende Denkhaltung für die Verwirklichung von Sinn und Zweck der Unternehmung zu nutzen.
Ethik und Wirtschaft widersprechen sich nicht, sofern mit dem Begriff Ethik maßvoll, wirkungsorientiert und unternehmensspezifisch umgegangen wird. Die befruchtende
Gemeinsamkeit beider Begriffe ist, dass das Interesse des Menschen auf die
Zukunft ausgerichtet ist. Deshalb drängt sich geradezu auf, dass sich das Management eines Unternehmens heutzutage sowohl mit ethischen als auch wirtschaftlichen Anforderungen auseinandersetzt – und diese mit entsprechenden Maßnahmen in Einklang zu bringen hat. Das Controlling wiederum erhält die neu Aufgabe
Abweichungen von diesem "Einklang" frühzeitig zu erkennen.
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Wie verwenden Unternehmen heute Ethik
Wirtschaftlich ethisches Verhalten ist nur oberflächlich in der sogenannten "Corporate Social Responsibility (CSR)", also in der Wahrnehmung von
Verantwortung eines Unternehmens gegenüber der Gesellschaft zu finden. Umweltschutz, Integrationsprogramme, Einhaltung von Menschenrechten und Sozialstandards sowie Schaffung angemessener Arbeitsbedingungen, Unterstützung sozialer, kultureller und sportlicher Einrichtungen sowie Förderung von ehrenamtlichem Engagegement – dies alles sind Allgemeinheiten, welche die Organisation nicht direkt betreffen.
"
Compliance" bezeichnet die Gesamtheit aller zumutbaren
Maßnahmen, die das regelkonforme Verhalten eines Unternehmens und seiner Mitarbeitenden im Hinblick auf alle gesetzlichen Gebote und Verbote begründen. Darüber hinaus soll die Übereinstimmung des unternehmerischen Geschäftsgebarens auch mit allen gesellschaftlichen Richtlinien und Wertvorstellungen, mit Moral und Ethik gewährleistet werden. Dies sind Ansprüche, die so nicht erfüllbar sind.
Diese
Anwendung des Begriffes Ethik wirkt
oberflächlich, weil sie sich nur auf ein grob umschriebenes Handlungsfeld bezieht, das sich mehr auf Gesetzestreue abstützt, als auf menschliche und schöpferische Potentiale hinzuwirken.
Wie können Unternehmen Ethik wirkungsvoll umsetzen?
Erstaunlich ist, dass sich viele Firmen gar nicht bewusst sind, wie und in welcher Form sie ihr
Selbstverständnis beschreiben. Um sich dessen bewusst zu werden und damit eine Grundlage für die eigenen ethischen Ansprüche zu schaffen, wäre die nachfolgende Darstellung eine einfache Hilfestellung dazu:
Sinn und Zweck der Firma
(klar ausformuliert)
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Vision
(Sinn– und Zweckorientiertes, erreichbares Zukunftsbild)
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⇓
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Strategie
(visionsbasierte und planmäßige Vorgehensweise)
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⇓
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Leitbild
(klar ausformulierte, strategiebasierte und wertegeprägte Haltung)
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⇓
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Handlungsebene der Organisation
(Voraussetzung für ethische Marker schaffen)
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Diese Abfolge soll aufeinander abgestimmt, nachvollziehbar und vor allem in wirtschaftlichem Ermessen in einer vernünftigen Zeit machbar sein. Damit werden
Voraussetzungen geschaffen, welche den beteiligten Menschen Orientierung für die eigene
Werthaltung ermöglicht. Es entsteht Wohlbefinden bei der Erreichung der Firmenziele über Sinngebung und Integrität – Ethik wird gelebt.
In einem weiteren Schritt gilt es die
wirksamsten Handlungsebenen innerhalb der Organisation festzulegen bei denen Ethik anwendbar und überprüfbar sein soll (siehe Tabelle).
Wirksamste Handlungsebenen der Organisation
(nach Hässig & Stoff)
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In der Führung
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In der Selbstverantwortung
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In der Selbstermächtigung
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In den Regeln
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Für die Leistungsempfänger
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Führungsstil bestimmen
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individuelle Kompetenzen
festlegen
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Minimalanforderungsprofile
festlegen
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Grundwert / Prinzipien der Firma festlegen
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Transparenz der Leistungsqualität festlegen
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Organisationsschema definieren
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zweckmäßigste und maßgebenste Infrastruktur und Mittell definieren und hochachten
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Fort– und Weiterbildung aufgabenorientiert
institutionalisieren
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Nachvollziehbare und machbare Firmenbestimmung
festlegen
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Verhaltenskodex gegenüber Leistungsempfänger festlegen
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Fehlerkultur festlegen (correctio fraterna)
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extrinsische und instrinsische Anreize definieren und transparent halten
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Mitarbeiterbeurteilung leitbildorientiert gestalten
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Auftritts– und Erscheinungsbild festlegen
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strategiebasierte regionales / nationales Engagement
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Ethik ist auch ein Thema für das Risikomanagement
Unternehmen sind gefordert, im Rahmen eines umfassenden
Risikomanagements die Wertvorstellungen und damit die Erwartungen der Mitarbeitenden und Leistungsempfänger in ihre
strategischen Überlegungen mit aufzunehmen. Die spezifischen
Risiken, die sich aus möglichen Verstößen gegen eigene Werte und Ethikbekenntnisse ergeben, sind zu identifizieren und zu bewerten.
Dabei ist insbesondere der langfristige Trend der
gesellschaftlichen Entwicklungen miteinzubeziehen.
Chancen und Risiken sind dabei sorgfältig abzuwägen. Wird der wirtschaftliche Erfolg vor die moralische, ökologische und soziale Verantwortung gestellt, laufen die Unternehmen Gefahr, dass dieser langfristig ausbleiben wird. Das
Sanktionspotential der Mitarbeitenden und Leistungsempfänger ist dabei als eigenständiges und nicht zu unterschätzendes Risiko zu bewerten.
Unethisch ist unwirtschaftlich
Ethik und Wirtschaft sind aufeinander angewiesen, denn die Anforderungen der Gesellschaft an die Unternehmen und deren Handeln steigen. Menschen möchten wissen, woher die
Produkte stammen (Lieferkette), wie sie entstehen (Arbeits–, Produktions- und Umweltbedingungen) und welche Werte das Unternehmen vertritt. Solche Informationen schaffen
Vertrauen und
Identität.
Als Folge davon wird das Interesse und die Kundenbindung ganz neue Formen annehmen, weil das Gebilde "Firma" lebendig wird und sich zu einem
Identifikationsanker entwickeln könnte. Versprochene Werte sollen erfahrbar werden und nicht nur in der Schriftlichkeit interpretierbar sein. Dabei wird sich auch das
Marketing selbst neu erfinden müssen.
Statt mit den neusten neuronalen Forschungsergebnissen Kunden zu beeinflussen, oder mit unrealistischen Versprechungen anzulocken, wird sachliche, fachliche und vor allem ganz normale, unaufgeregte und nachvollziehbare
Kundenbindung als neue zwischenmenschliche Erfahrung erkannt. Dies scheint auf den ersten Blick langweilig zu sein, könnte aber mit grosser Wahrscheinlichkeit als wirkungsvoller und lebensnaher empfunden werden.
Als wichtige Ausgangslage für ein gemeinsames
Ethikverständnis ist eine Definition für Ethik zu finden, welche zur Organisation passt. Sie soll verstehbar und umsetzbar sein. Diese könnte wie folgt lauten:
- Ethisch handeln bedeutet, Handlungsentscheidungen von einer Basis einleuchtender, widerspruchsfreier Prinzipien schlüssig abzuleiten.
- Wer unethisch handelt, bricht die Versprechungen einer Organisation, ist damit rufschädigend und erzeugt dadurch auch materiell unwirtschaftliche Folgen.
Das Bewusstsein für Ethik in der Firma wecken
Zwischen wirtschaftlichem Handeln und sozialen– sowie ethischen Vorstellungen gibt es immer mehr
Berührungspunkte, die zunehmend an Bedeutung gewinnen. Besonders in Krisenzeiten und in Zeiten des Umbruchs verschieben sich gesellschaftliche Werte häufig und der Druck auf die Unternehmen steigt.
Aktuell sind
Klimaziele ein wichtiges Thema für Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Energiewende, Migration, Logistikketten und Angriffskrieg sind Themata die alle Organisationen in irgendeiner Form berühren.
Problemlösungen können verordnet werden.
Ethisches Handeln muss über Erkenntnis und nutzbringende Wirksamkeit im Voraus erarbeitet und geplant werden, unter Einbezug aller Beteiligten. Besonders in einer Organisation ist die gemeinsame Entwicklung ethischer Handlungseben für das eigene Selbstverständnis zentral. Erst dadurch kann sich das Bewusstsein für ethisch wirksames Handeln entfalten.
Abb. 1: Einflussfaktoren ethischer Bewusstseins–Vernetzung, Hässig & Stoff
In Zukunft werden die
Einflussfaktoren ethischer Bewusstseins–Vernetzung deutlich an Bedeutung gewinnen und notwendigerweise zu einer Veränderung der wirtschaftsethischen Überlegungen in den Unternehmen führen.
Das
Controlling sollte diesbezüglich in seinem Wesen gedanklich schon in der Zukunft sein – weg von den statischen Vergleichen – hin zu den dynamischen, menschlichen Faktoren, die es zuerst miteinzubeziehen gilt.
Vor diesem Hintergrund könnte folgende Redewendung als "
Handlungsmaxime" dienen: Ohne Wirtschaft schaffen wir es nicht und ohne Ethik ertragen wir es nicht.
letzte Änderung H.R.H.U.R.F.S.
am 24.05.2023
Autor:
Hans R. Hässig, Roland F. Stoff
Bild:
Bildagentur PantherMedia / kbuntu
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Autor:in
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Herr Hans R. Hässig und Roland F. Stoff
Hans R. Hässig und Roland F. Stoff sind Autoren des Buches "Unternehmenskultur verstehen" (s. Literaturhinweis). Sie haben langjährige Erfahrung als Führungskräfte auf Geschäftsleitungsebene in KMUs, auf Konzernebene im In- und Ausland, in der Industrie, der öffentlichen Verwaltung und im Gesundheitswesen. Mit ihren Instrumenten machen sie Unternehmenskulturen sichtbar und prüfen diese auf Ihre jeweilige Authentizität.
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