Es war wieder soweit. Nach einer anstrengenden Woche trafen sich die erfolgreichen Unternehmer der Kleinstadt wieder im örtlichen Golfclub, weniger des Sportes wegen, sondern hauptsächlich, um unter sich zu sein. Sie saßen im gemütlichen Kaminzimmer und wurden von Ihrer Lieblingskellnerin Pauline bedient. Sie war BWL-Studentin und freute sich schon immer auf die Unternehmerrunde.
Neben den großzügigen Trinkgeldern gab es häufig amüsante Streitgespräche, im Laufe derer die Unternehmer ihr Praxisferne vorwarfen, sie aber häufig mit neuen betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen ganz frisch aus der Vorlesung für Verblüffung sorgen konnte. Dies war für die erfolgsgewohnten Unternehmer nicht ganz unwichtig, denn als Patriarchen der alten Schule gab es in ihren Unternehmen keine ausgeprägte Diskussionskultur. Viele ihrer Mitarbeiter hatten sich damit abgefunden, dass der Chef immer Recht hatte und wagten kaum noch, auf Probleme hinzuweisen. Auch deswegen war der Golfclub nützlich, denn von Kollegen konnte man ja Ratschläge (und natürlich Aufträge) annehmen.
Der Ablauf der munteren Runde startete immer gleich. Nachdem jeder unaufgefordert sein Lieblingsgetränk erhalten hatte, wurde gefragt: „Nun, Paulinchen, was hast Du denn diese Woche Besonderes an der Hochschule gelernt?“ Meist wurde noch ein Studentenwitz angehängt (schön, dass Du uns zuliebe schon um 15 Uhr aufgestanden bist).
Am heutigen Tag stand der
Vorschlag von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) im Vordergrund, der wollte, dass nicht nur die Sondertöpfe bei der Schuldenbremse herausgerechnet werden sollten, sondern auch die Zinsen für einige der Sondertöpfe (Sondervermögen in der Sprache der Politiker).
Dieter Durchblick, der Wirtschaftsredakteur, erklärte: „Im ersten Schritt hat Klingbeil nur vom Verteidigungs-Sondertopf gesprochen. Das war nicht dumm, weil sich dieser Posten angesichts der Bedrohung durch Putin noch halbwegs erklären lässt. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er damit nur das Wasser testen will und es dann ausdehnen wird, wenn das Geschrei nicht zu groß ist.“
Er wandte sich an Pauline: „Was wird denn die Folge sein?“
Pauline: „Wir haben das an der Hochschule besprochen. Die Schulden werden noch schneller steigen, wobei sich die internationalen Finanzmärkte von solchen Taschenspielertricks nicht täuschen lassen werden. Der deutsche Staat wird noch höhere Zinssätze zahlen müssen.“
Zacharias Zaster, der Zweigstellenleiter der örtlichen Bank, bestätigte: „Ja, so eine Zinssteigerung folgt, wenn sich die Bonität verschlechtert. Als Banker interessiert uns besonders, wie sich die Zukunftsaussichten verändern. Wer einen Kredit haben möchte, muss nachweisen, dass seine finanzielle Stabilität in den nächsten Jahren sich verbessert oder zumindest nicht verschlechtert.
Stefan Steuer, der Chefcontroller eines großen Markenartikelunternehmens, unterstrich: „Genauso ist es. Und die Zukunftsaussichten Deutschlands sind leider sehr unerfreulich. Jeden Monat gehen 10.000 Arbeitsplätze in der Industrie verloren. Und dieser Trend wird sich nur schwer aufhalten lassen.
Kurt Kappe, dem Hersteller von Flaschenverschlüssen, fühlte sich angegriffen, weil er kürzlich einen Teil der Produktion ins Ausland verlagert hatte: Was sollen wir denn machen? Energie- und personalintensive Produktionen sind in Deutschland nicht mehr möglich. Also entweder dichtmachen oder verlagern.“
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Die meisten nickten und
Bernhard Birkenstock, der Leiter der Biomarktkette, ergänzte: „Schlimm daran ist auch, dass wir zwar heutzutage fast gezwungen werden, nicht in Deutschland zu investieren, aber dass sich das noch nicht in den Wirtschaftsstatistiken niederschlägt. Diese negative Dynamik wird sich nur schwer bremsen lassen, weil auch die neue Regierung vor den harten notwendigen Reformen zurückschreckt.“
Burkhard Bauxit, Besitzer der Alu-Produktion, führte aus: „Die Probleme liegen leider fast überall. Neben den höchsten Strompreisen – ein Mehrfaches der chinesischen und amerikanischen Wettbewerber – müssen wir mit grausamer Bürokratie und hohen Lohnkosten klar kommen. Und die Folgen vom Heizungsgesetz und dem Verbrennerverbot kündigen sich gerade an.“
Carlo Controletti, der Wirtschaftsprüfer, ergänzte die Problemliste: „Dazu kommen die finanziellen Probleme, welche der Staat eigentlich längst hätte anpacken müssen. Im ersten Schritt ist das die langjährige Naivität gegenüber Putin. Das führt jetzt zu riesigem Aufholbedarf in der Entwicklung der Verteidigungsfähigkeit. Auch die
Desasterprojekte wie Stuttgart 21, die misslungenen Ansiedlungen von Intel in Magdeburg und von Northvolt, die gescheiterte Wasserstoffstrategie usw..
Dieter Durchblick nickte bestätigend mit dem Kopf: „Aber dabei habt Ihr das schlimmste Problem noch nicht erwähnt.“ Als er die fragenden Blicke der Kollegen sah, fuhr er fort: „Es geht um den kollabierenden Generationenvertrag, wovor allerdings seit 50 Jahren gewarnt wird. Aber das staatliche Rechnungswesen muss leider nicht ausweisen, welche Ansprüche die Beitragszahler aufgebaut haben. Dafür gibt es keine Rückstellungen, weil die Politiker den Generationenvertrag erfunden haben. Aber der kann nur funktionieren, wenn das Verhältnis der Beitragszahler zu den Rentenempfängern sich nicht verschlechtert. Leider zum Glück kann alles zu den kollabierenden Sozialsystemen bei Prof. Raffelhüschen nachlesen. Diese Verpflichtungen liegen weit über den zugegebenen Schulden.
Andreas Ampel, der letzte Fan der vorherigen Regierung, wandte ein: „Dann frage ich mich, warum die Anleger Deutschland noch Geld leihen.“
Carlo Controletti: „Ich sehe da besonders 2 Gründe. Nach den Schuldenregeln der EU gehen die aufgehäuften Verbindlichkeiten der Sozialsysteme nicht in die Berechnung des Schuldstandes ein. Auf dem Papier sieht Deutschland noch gut aus. Dazu kommt, dass es anderen Ländern zumindest auf dem ersten Blick noch schlechter geht als Deutschland. Frankreich ist ein Beispiel, wobei die französische Situation etwas gemildert wird durch eine hohe Geburtenrate. Aber mit Klingbeils Vorschlag, einige Zinsen nicht mehr der Schuldengrenze zu unterwerfen, beschleunigt auch Deutschland seinen Niedergang.“
Kurt Kappe bemerkte bitter: „Wir Unternehmer würden ins Gefängnis gehen, wenn wir auch nur annähernd solche Betrügereien durchführen würden. Aber der Staat macht ja keine Fehler, wie Habeck sagte….“
Stefan Steuer bestätigte die Unzulänglichkeiten der öffentlichen Rechnungslegung und das unseriöse Verhalten vieler Politiker, brachte aber eine unerwartete Wendung in die Diskussion: „Wie sieht es denn bei Euch aus? Ihr haltet Euch natürlich an die gesetzlichen Regelungen… Aber zeigen Eure Bilanzen und Eure G+Vs das tatsächliche Bild?“
Es wurde sofort still, weil sie sich viele dran erinnerten, wie sie ihre Mitarbeiter im Rechnungswesen gedrängt hatten, „kreative“ Lösungen zu finden.
Dieter Durchblick behauptete: „Fast alle Unternehmen sind mit ihren Finanzzahlen unzufrieden. Entweder sind sie zu schlecht oder zu gut. Da Pauline nickte, wurde sie gefragt.
Pauline führte aus: „Das haben wir gerade an der Hochschule besprochen. Die eine Gruppe versucht, die Zahlen besser aussehen zu lassen, indem notwendige Abschreibungen gestreckt werden und Sonderabschreibungen vermieden werden, selbst wenn die Wirtschaftsgüter kaum noch Wert aufweisen. Beispiel: Entwerteter Goodwill. Dazu wird großzügig aktiviert und Rückstellungen nur im absolut notwendigen Maßstab gebildet. Damit soll über eine höhere EK-Quote auch die Bonität gestützt werden.
Dieter Durchblick nickte anerkennend: „So ist es, und die andere Gruppe der Unternehmen nutzt jede Möglichkeit, die Zahlen möglichst schlecht aussehen zu lassen. Neben der Nutzung der legalen Möglichkeiten wird versucht, nicht zu aktivieren, Rückstellungen zu maximieren usw., um die Steuerlast in die Zukunft zu schieben.“
Er wandte sich an Pauline: „Was habt Ihr denn über unsaubere Unternehmenspraktiken an der Hochschule gelernt?“
Pauline: „Dass es Unternehmen gibt, welche Freunde und Familienangehörige einstellen, z. B. im Minijob, die teilweise unqualifiziert sind bzw. kaum arbeiten. Die Personalkosten sind dann absetzbare Personalausgaben.“
Carlo Controletti führte aus: „Als Wirtschaftsprüfer sehe ich zudem, dass viele Privatausgaben über die Firma abgewickelt werden, was ich teilweise nicht akzeptieren kann. Das zu luxuriöse Auto, der Firmenjet, große Feste usw. sollen zum Teil vom Steuerzahler bezahlt werden.
Zacharias Zaster ergänzte: „Dazu kommt das Zögern einiger Unternehmen, sich rechtzeitig aus Projekten zu verabschieden, die auf eine Katastrophen zusteuern. Bei Kreditausfällen treffe ich immer wieder auf Fälle, in denen nicht rechtzeitig die Reißleine gezogen wurde.
An diesem Abend gingen die Mitglieder der edlen Runde unruhig nach Hause nach Hause. Einerseits waren sie sauer über die neuen Beispiele des Staatsversagens, aber andererseits fühlten sie sich auch unwohl, weil ihr eigenes Verhalten eventuell geändert werden müsste.
Literaturempfehlungen:
letzte Änderung P.D.P.H.
am 22.10.2025
Autor:
Prof. Dr. Peter Hoberg
Bild:
Bildagentur PantherMedia / Ruediger Rebmann
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Autor:in
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Herr Prof. Dr. Peter Hoberg
Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Worms. Seine Lehrschwerpunkte sind Kosten- und Leistungsrechnung, Investitionsrechnung, Entscheidungstheorie, Produktions- und Kostentheorie und Controlling. Prof. Hoberg schreibt auf Controlling-Portal.de regelmäßig Fachartikel, vor allem zu Kosten- und Leistungsrechnung sowie zu Investitionsrechnung.
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