Neulich im Golfclub: Falsche Umsatzrenditen

Dr. Peter Hoberg
Es war wieder soweit. Nach einer anstrengenden Woche trafen sich die erfolgreichen Unternehmer der Kleinstadt wieder im örtlichen Golfclub, weniger des Sportes wegen, sondern hauptsächlich um unter sich zu sein. Sie saßen im gemütlichen Kaminzimmer und wurden von Ihrer Lieblingskellnerin Pauline bedient. Sie war BWL-Studentin und freute sich schon immer auf die Unternehmerrunde. Neben den großzügigen Trinkgeldern gab es häufig amüsante Streitgespräche, im Laufe derer die Unternehmer ihr Praxisferne vorwarfen, sie aber häufig mit neuen betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen ganz frisch aus der Vorlesung für Verblüffung sorgen konnte.

Dies war für die erfolgsgewohnten Unternehmer nicht ganz unwichtig, denn als Patriarchen der alten Schule gab es in ihren Unternehmen keine ausgeprägte Diskussionskultur. Viele ihrer Mitarbeiter hatten sich damit abgefunden, dass der Chef immer Recht hatte und wagten kaum noch, auf Probleme hinzuweisen. Auch deswegen war der Golfclub nützlich, denn von Kollegen konnte man ja Ratschläge (und natürlich Aufträge) annehmen. Der Ablauf der munteren Runde startete immer gleich. Nachdem jeder unaufgefordert sein Lieblingsgetränk erhalten hatte, wurde gefragt: "Nun, Paulinchen, was hast Du denn diese Woche Besonderes an der Hochschule gelernt?" Meist wurde noch ein Studentenwitz angehängt ("schön, dass Du uns zuliebe schon um 15 Uhr aufgestanden bist").

Georg Grube und sein Irrtum bei der Umsatzrendite

Dieses Mal diskutierte die edle Runde über die Pressekonferenz von VW, in der am 18. November 2016 verkündet wurde, dass 30.000 Arbeitsplätze wegfallen würden. Als Begründung wurde angegeben, dass die Rendite der Marke Volkswagen nur ein Prozent betrage. Die erfolgreichen Unternehmer konnten über diese Ziffer nur müde lachen, erzielten sie doch viel bessere Werte. Georg Grube, der örtliche Bauunternehmer prahlte etwas unvorsichtig: "Bei mir müssen es schon über zehn Prozent sein." Daraufhin nahmen sich einige Anwesende vor, die Preise ihrer Bauprojekte nachzuverhandeln.

Pauline stellte an Grube die Frage: "Herr Grube, von welcher Rendite reden Sie denn?" Als sie merkte, dass er von der Frage überrascht wurde, fuhr sie schnell fort: "In der Pressekonferenz hatte der Vorsitzende des Markenvorstands, Herbert Diess, auch nur von einer nicht ausreichenden Rendite von einem Prozent geredet. Wir haben an der Hochschule kürzlich gelernt, dass es sehr viele unterschiedliche Renditeformen gibt. Die wichtigste Unterteilung ist die in Umsatz- und Kapitalrenditen."

Mit dieser Hilfestellung konnte Grube antworten: "Wir reden natürlich über die Umsatzrendite, was also von jedem Euro Umsatz übrigbleibt." Nun schaltete sich Zacharias Zaster, der örtliche Bankdirektor ein: "Umsatzrendite ist ja schön und gut, aber wenn du viel Kapital lange gebunden hast, ist deine Kapitalrendite trotzdem traurig. Und nur auf die kommt es an." Grube erinnerte sich jetzt an die Gespräche mit den Ratingspezialisten seiner Bank, die immer wieder angemahnt hatten, den Kapitalbedarf im Anlagevermögen zu reduzieren, weil die Finanzierungskosten zu hoch waren. Für Grube war das hart, weil er viel Spaß an den neuesten Baumaschinen hatte.

Pauline ergänzte: "Und man muss aufpassen, dass die Umsatzrendite richtig ermittelt wird. Fast alle Unternehmen dividieren eine Erfolgsgröße – das operative Ergebnis bei VW– durch den Nettoumsatz, ohne zu berücksichtigen, wann die Zahlungen für die Umsätze zu Cash werden und wann die Produktionsfaktoren bezahlt werden müssen. Die Umsatzrendite kann sich um mehrere Prozentpunkte verschlechtern, wenn der Cash to Cash Cycle sehr lang ist. Und wenn man nur ein Prozent hat …"

Nun wollte Zacharias Zaster Pauline testen und fragte, wie hoch denn die Kapitalrendite sein müsse. Pauline hatte Glück, weil dieses Thema kürzlich an der Hochschule besprochen worden war und antwortete: "Wenn Sie die Gesamtkapitalrendite meinen, dann muss diese höher liegen als der jeweilige Kapitalkostensatz nach Berücksichtigung des Risikos. Die Amerikaner nennen das Wacc, das steht für Weighted average cost of capital. Wichtig ist klarzustellen, ob diese beiden Größen vor oder nach Ertragssteuern berechnet werden sollen."

Georg Grube wollte seine Umsatzrendite noch nicht ganz aufgeben und wandte sich an die Runde: "Welche Umsatzrendite wäre denn okay?" 

Zacharias Zaster antwortete: "Ist denn dein Umsatz oder dein gebundenes Kapital höher?"

Grube wusste die Antwort von den kritischen Ratinggesprächen: "Das gebundene Kapital ist ungefähr doppelt so hoch wie mein Umsatz. Ich habe halt immer die neuesten Maschinen."

Zaster: "Dann ist Deine Gesamtkapitalrendite nur circa fünf Prozent, was angesichts der Risiken und der Konjunkturabhängigkeit zu wenig ist."

Grube verlor endgültig seine gute Laune, als Pauline ihn noch fragte, ob er seine eigene Tätigkeit einrechnen würde. Die Frage war wichtig, weil es sich bei seiner Baufirma um eine Personengesellschaft handelte und nicht um eine GmbH oder AG. Als Grube verneinte, führte Pauline aus: "Sie sollten dann noch den kalkulatorischen Unternehmerlohn berücksichtigen. Denn ohne Sie müsste Ihre Baufirma ja einen Geschäftsführer bezahlen. Das würde die Kapitalrentabilität weiter reduzieren."

Grube fragte in die Runde, wo er eingreifen müsse. Schon aus eigenem Interesse empfahl ihm keiner eine Preiserhöhung. Aber es gab Ratschläge zur Senkung der Kapitalbindung. Pauline ergänzte: "Selten genutzte Baumaschinen sollten gemietet werden beziehungsweise mit Branchenkollegen gemeinsam genutzt werden. Auch sollten neue Maschinen nur gekauft werden, wenn ihre Investitionsrechnung eine klare Vorteilhaftigkeit zeigt."

Grube beschloss, gleich am nächsten Montag seine Kalkulationen zu überprüfen. Zumindest aber ließen einige seiner Kunden angesichts der schlechten Rendite die Absicht fallen, die Preise der laufenden Projekte nachzuverhandeln.




letzte Änderung P.D.P.H. am 02.07.2025
Autor:  Dr. Peter Hoberg
Bild:  panthermedia.net / vlad star


Autor:in
Herr Prof. Dr. Peter Hoberg
Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Worms. Seine Lehrschwerpunkte sind Kosten- und Leistungsrechnung, Investitionsrechnung, Entscheidungstheorie, Produktions- und Kostentheorie und Controlling. Prof. Hoberg schreibt auf Controlling-Portal.de regelmäßig Fachartikel, vor allem zu Kosten- und Leistungsrechnung sowie zu Investitionsrechnung.
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