Das Klimapaket der Bundesregierung lässt die Benzinkosten nur geringfügig steigen, entlastet die Autofahrer aber gleichzeitig durch eine höhere Pendlerpauschale. Das Paket bietet also kaum Anreize für Verhaltensanpassungen der Autofahrer. Im Sinne des Klimaschutzes ist das ein Fehlanreiz. Denn genau das hätte das Ziel des Vorhabens sein sollen. Die Bundesregierung muss hier in weiteren Schritten Anpassungen vornehmen.
1. Einleitung
Im Klimapaket der Bundesregierung, welches die Kanzlerin am 24. September 2019 in New York auch international vorstellte, sind viele erstaunliche Elemente zu bewundern. Dazu zählt auch die erhöhte Werbungskostenpauschale für den Weg zur Arbeit, welche beginnend in 2021 ab dem 21. km statt 30 Cent pro Entfernungskilometer dann 35 Cent betragen soll. Trickreich hat der Staat schon vor langer Zeit den Begriff „Entfernungskilometer“ gewählt, weil der Durchschnittsbürger damit kaum merkt, dass nicht der gefahrene Kilometer gemeint ist, für den die Kosten für den Pendler anfallen, sondern nur die einfache Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsplatz. Ehrlicher wäre es gewesen, 15 bzw. jetzt 17,5 Cent pro zurückgelegten Kilometer anzugeben.
Die Pauschale gilt nicht nur für die PKW-Nutzung, sondern sie kann auch bei einigen anderen Verkehrsmitteln in Anspruch genommen werden. An dieser Stelle ist der Parteichef der Grünen, Robert Habeck, kürzlich in einem TV-Interview ins Straucheln geraten, was von der Presse genüsslich ausgenutzt wurde, ohne darauf hinzuweisen, dass sein Protest inhaltlich zutreffend war. Der Grund für die Erhöhung der Pauschale lag im Wunsch der Politiker, die Langstreckenpendler für die erhöhten Kraftstoffpreise aufgrund der neuen CO2-Abgabe zu entlasten
2. Wirkungsanalyse
Eine Erhöhung der steuerlichen Absetzbarkeit der Fahrtkosten zur Arbeit führt zu einer Entlastung der meisten Pendler. In den letzten Tagen sind schon einige Rechnungen in der Presse erschienen, die zu Recht kritisieren, dass nur besser situierte Pendler merkliche Vorteile haben (vgl. z. B. Spiegel vom 24.9). Wenn sie 100 km pro Tag fahren, so betragen die Entfernungskilometer 50. Für die letzten 30 km steigt die Pauschale um 5 Cents pro Entfernungskilometer, was pro Tag dann 1,50 €/d ausmacht. Bei 200 Arbeitstagen pro Jahr ergeben sich 300 €/a.
Dieser Betrag kann im Rahmen der Werbungskosten geltend gemacht werden, so dass er nur in Höhe des Grenzsteuersatzes wirkt. Der finanziell schwache Pendler, der gar keine oder nur sehr wenig Steuern zahlt, hat somit von der Erhöhung entweder nichts oder sehr wenig. Dagegen kann sich der gut betuchte Pendler mit einem Grenzsteuersatz von 50% (inkl. Kirchensteuer) über 150 € jährlich freuen. Er kann somit die Preiserhöhung beim Benzin zumindest teilweise ausgleichen. Wenn er 5l Diesel pro 100 km verbraucht, so benötigt er im Jahr für das Pendeln 1000 l/a. Da die Mehrkosten zumindest in 2021 nur 3 Cents pro Liter ausmachen sollen, belaufen sich seine zusätzlichen Kosten auf 30 €/a, so dass er insgesamt deutlich profitiert.
Das ist schwer zu verstehen, weil dadurch der Anreiz zu CO2-reduziertem Verhalten in das Gegenteil verkehrt wird. In den Folgejahren wird mit steigenden CO2-Abgaben der finanziell schwache Pendler ins Minus gezogen, während der einkommensstarke Bürger immer noch im Plus ist. Noch schlimmer wirkt sich die neue Regelung aus, wenn Entscheidungen über den Wohnort getroffen werden. Üblicherweise gilt, dass die Mieten fallen, wenn man sich weiter von den Ballungsräumen entfernt. Dies wird jetzt noch attraktiver, weil die zusätzlichen Fahrtkosten weitgehend aufgefangen werden durch die erhöhte Entfernungspauschale. In einigen Fällen entsteht sogar eine Überkompensation. Der Vorteil hängt wieder vom Grenzsteuersatz ab, so dass diejenigen mit einem hohen zu versteuernden Einkommen wieder bevorzugt werden.
Für ein Beispiel sei angenommen, dass es um eine zusätzliche Entfernung von 10 km geht (jeweils hin und zurück). Die Anzahl der Arbeitstage wird auf 200 geschätzt, weil neben Urlaub, Feiertagen auch noch Krankheitstage berücksichtigt werden müssen. In der folgenden Abbildung lassen sich die Vorteile in der ersten Zeile ablesen, für die noch keine variablen Kosten des Fahrzeugs angenommen wurden:
Abb. 1: Vorteil (+) bzw. Nachteil (-) bei längeren Pendelstrecken
Wie oben dargelegt kann es keinen Vorteil geben, wenn keine Steuern gezahlt werden. Dagegen beträgt der Vorteil für die zusätzlichen 10 Entfernungskilometer 350 €/a, wenn ein Grenzsteuersatz von 50% vorliegt. Davon ist der Nachteil der höheren variablen Kilometerkosten abzuziehen. Dazu zählen insb. die Kraftstoffkosten, der Reifenverschleiß und die Wartungen. Wenn ein sparsamer Diesel gefahren wird, liegt die Untergrenze wohl bei 3L pro 100 km, was bei einem Literpreis von ca. 1,2 €/l 3,6 €/100 km ausmacht. Für Reifen und Wartung mögen 1,4 €/100 km anfallen.
In der Summe betragen die variablen Kosten dann 5 €/100 km. In der ersten Spalte lässt sich ablesen, dass dann die zusätzliche Strecke von 2 x 10 km zu zusätzlichen jährlichen Kosten von 200 €/a führt. Nur wer einen eher hohen Grenzsteuersatz aufweist, kann diesen Betrag über die steuerlichen Vorteile überkompensieren. Und gerade dieser Personenkreis braucht die Subvention nicht.
3. Schlussfolgerung
Es bleibt damit festzuhalten, dass leider die falschen Personengruppen unterstützt werden. Der schlecht bezahlte Arbeiter hat von dem Anstieg der Entfernungspauschale nicht viel. Dagegen können die sog. Besserverdienenden ohne finanzielle Einschnitte noch weiter in günstige Wohngegenden herausziehen. Allerdings sollte nicht vergessen werden, dass die Rechnung auch den Wert der Zeit (vgl. zu den Details Hoberg, S. 1 ff.) einbeziehen sollte. Auf der anderen Seite spricht die Mietersparnis für längere Wegstrecken. Auf keinen Fall wird mit der erhöhten Pauschale ein Anreiz zu CO2-sparendem Verhalten gesetzt. Insofern war die Kritik von Herrn Habeck trotz einiger Fehler gerechtfertigt.
letzte Änderung P.D.P.H. am 02.03.2020
Autor(en):
Dr. Peter Hoberg
Bild:
panthermedia.net / crashtackle
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Der Autor:
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Herr Prof. Dr. Peter Hoberg
Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Worms. Seine Lehrschwerpunkte sind Kosten- und Leistungsrechnung, Investitionsrechnung, Entscheidungstheorie, Produktions- und Kostentheorie und Controlling. Prof. Hoberg schreibt auf Controlling-Portal.de regelmäßig Fachartikel, vor allem zu Kosten- und Leistungsrechnung sowie zu Investitionsrechnung.
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