98 % aller
Bildungsbeauftragten in Unternehmen führen Abfragen zur
Zufriedenheit ihrer Seminarteilnehmer durch und sind damit überhaupt nicht mehr zufrieden. Auf dem Weg in die Wissensgesellschaft sind weniger als 60 % der Bildungsbeauftragten in der Lage, Aussagen über den Lernerfolg in einem Seminar zu machen.
Lediglich um 20 % messen die im Anschluss an ein Seminar erbrachte
Transferleistung in die betriebliche Praxis und fast gar kein Bildungsbeauftragter kann Aussagen über den
Return of Investment einer Bildungsmaßnahme machen.
Diese Form von
Bildungscontrolling wird den
Anforderungen der Wissensgesellschaft nicht gerecht. Auf dem Weg in die Wissensgesellschaft wird mehr und mehr Verantwortung für die eigene Weiterbildungsqualifikation auf den Mitarbeiter übertragen. Paradoxerweise wird der Umfang der Weiterbildung in diesem Prozess abnehmen, in der Qualität wird Weiterbildung aber anderen höheren Anforderungen genügen müssen.
Dies schon deshalb, weil die Mitarbeiter
Bildungsbeauftragte zur Rechenschaft ziehen werden, wenn sie selber in Weiterbildung
investieren sollen. Abnehmen wird die Weiterbildung, weil in Deutschland in Branchen immer mehr Arbeitsplätze abgebaut werden, sei es durch Auswanderung der Unternehmen oder weil die entwickelten Entwicklungsländer die Produktion einfacher Massenprodukte schon heute übernehmen. Arbeitsplätze werden vor allen Dingen in
"weiterbildungsarmen" Branchen entstehen, wie Dienstleistung im generellen und in den Branchen Informatik, Umwelttechnologie, Werkstoffe und Chemie, Medizin und Biologie. In klassischen Branchen werden Arbeitsplätze in erheblichen Umfang abgebaut.
Weiterbildung wird sich zunehmend einem
Rechtfertigungsdruck ausgesetzt sehen und Betriebe und Mitarbeiter werden kaum bereit sein, ihr sauer verdientes Geld weiterhin für dubiose Trainer und für noch dubiosere Methoden auszugeben. Auch und gerade Arbeitsamtsmaßnahmen wird dieser Trend erwischen, wenn deutlich wird, wie wenig Zugkraft in den Hartz-Konzepten wirklich steckt und die Zahl der Arbeitslosen weiter steigt.
Das sind in etwas die
Rahmenanforderungen an ein modernes Konzept von
Bildungscontrolling. Die heute praktizierten Formen greifen mit ihren "Happiness sheets" deutlich zu kurz und können auch aus einer ganzen Reihe von Gründen so überhaupt nicht funktionieren.
Woran es wirklich fehlt
Im Wesentlichen fehlt es an
Standardisierung. Standardisierung ist schon immer das Zauberwort der Industriegesellschaft gewesen. Standardisierung von Arbeitsprozessen markierte den Übergang von der Feudalgesellschaft zur Industriegesellschaft. Ein einheitlicher PC-Standard durch das Betriebssystem DOS von Microsoft war eine Voraussetzung für den Siegeszug des PC für Firmen und private Haushalte. Die Kette der Beispiele für Standardisierung ließe sich beliebig fortsetzen.
Es fehlt aus
drei Gründen an Standardisierung: Wissenschaftlich fundierte Arbeiten zum Thema sind deshalb rar, weil es nur wenige Lehrstühle gibt, die über die entsprechenden Methodenkompetenzen verfügen. Sieht man sich die Lehrstühle an, die sich mit dem Personalwesen im weitesten Sinne beschäftigen, kommt man auf ganze fünf Lehrstühle in denen das Thema aktuell überhaupt genannt wird. Weitaus mehr Nennungen findet man an pädagogisch ausgerichteten Lehrstühlen. Die Promotionsschriften, die hier entstehen, sind aber in der Regel kaum praxisrelevant und wirtschaftsnah, weil sie viel zu spezielle Fragen behandeln.
Abbildung 1: Einsparungspotentiale von Arbeitsplätzen von R. Thomé: Arbeit ohne Zukunft (München 1997): Die Einsparkalkulation basiert auf der Annahme, dass beratungslose Repetitionsvorgänge vollkommen automatisiert werden
Die
Kritik, die nach jedem Kongress oder Seminar zum Thema "Bildungscontrolling" laut wird, heißt dann von der Tendenz her auch immer: "Alles schön und gut, aber wie machen wird es denn nun?" Die Antwort auf diese berechtigte Frage der Praktiker bleibt aus.
Ein weiterer Grund ist ganz alltäglich und praktisch: Bildungscontrolling wird in der Praxis nur von wenigen Unternehmen professionell angewendet. Die Unternehmen, die es fundiert einsetzen, verraten ihre Geheimnisse nicht oder nur ungern und unvollständig. So bleibt das Handwerkszeug für ein fundiertes "Bildungscontrolling"
Geheimwissen. Man könnte mit anderen Worten auch sagen: Es existiert bei den Personalfachleuten überhaupt gar keine
Methodenkompetenz.
Das ist in der Realität auch schwierig praktizierbar. Wenn Methoden der schließenden Statistik von einem Praktiker nach seinem Studium nicht ständig angewendet wird, geht das Wissen verloren. Es wäre dann nur mit großem Aufwand wieder aufzufrischen. Ohne universitäre Ausbildung ist hier ohnehin nichts zu machen.
Nun könnten zumindest die "frischen" Hochschulabsolventen diese Methoden einsetzen. Das passiert in der Regel aber schon deshalb nicht, weil die Auswertung momentan nicht großartig durch Software usw. unterstützt wird und diese Aktionen deshalb richtig Arbeit machen.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass es an Verfahren fehlt, die quasi universell in allen Bildungsmaßnahmen einsetzbar sind und diese dadurch vergleichbar machen. Dass es an Verfahren fehlt, die die Auswertung vereinfachen und
preiswert machen und schließlich, dass es an Verfahren fehlt, durch die man den Erfolg einer Maßnahme monetär in EUR und Cent bewerten kann.
Warum Bildungscontrolling überhaupt nicht funktionieren kann
Der entscheidende Grund aber, warum Bildungscontrolling nicht funktioniert, liegt darin, dass meistens keine eindeutigen Ziele vorliegen und verbindlich Resultate mit Mitarbeitern vereinbart sind. Nur wenn
Resultate vereinbart werden, kann man eine Messung vornehmen.
Hier muss die Arbeit für die Entwicklung eines Bildungscontrollings beginnen. Parallel zu
Leistungsbeurteilungsgesprächen sind mit den Mitarbeitern
Resultatsvereinbarungsgespräche zu führen. Sinnvoll ist auch, die Vor- und Nachbereitung durch ein 360°-Grad-Feedback Konzept zu ergänzen. Hierbei wird der eingesetzte Fragebogen an den Vorgesetzten und an drei bis vier Kollegen verteilt, die der Mitarbeiter selbst benannt hat.
Sinnvollerweise werden die Resultatsvereinbarungsgespräche an die strategischen Kompetenzziele der Funktionsbereiche geknüpft und in der Organisation von oben nach unten über alle Managementebenen durchgeführt. Gegen Ende des Jahres erfolgt der Abgleich der Zielerreichung auf umgekehrtem Weg wieder über alle Managementebenen. Auf diese Weise erhalten Führungskräfte durch den Informationsaustausch in den Personalworkshops auch einen Überblick über die in den einzelnen Bereichen vorhandenen Kompetenzen. Ein Workshop integriert die Führungskräfte eine Ebene und dauert zwischen einem halben und einem ganzen Tag. Sinnvollerweise wird die Moderation durch einen externen Berater durchgeführt, der vorbehaltlos die relevanten Fragen stellen kann.
Ein solches Konzept der "
Resultatsorientierten Führung" ist Basis und Voraussetzung für ein funktionierendes Bildungscontrolling.
Resultatsorientierte Führung ist ein Konzept der angewandten Management-Cybernetik. Es ermöglicht ein einvernehmliches
Zielvereinbarungskonzept. Es richtet den Blick sowohl auf den INPUT, den ein Stelleninhaber erbringen muss, als auch auf den OUTPUT, den ein Stelleninhaber erbringen muss aus. Es dient der konsequenten Umsetzung der unternehmerischen Ziele und sichert so die zukunftsorientierte Qualifikation der Mitarbeiter. Erst wenn dieser Schritt vollzogen ist, können Unternehmen weiter über für sie sinnvolle Instrumente des Bildungscontrollings nachdenken.
Abbildung 2: Das Prinzip "Resultatsorientierte Führung"
Download des vollständigen Beitrages:
Zur Praxis des Bildungscontrollings.pdf
Quelle:
spring Messe Management GmbH
letzte Änderung Mario Gust
am 10.08.2022
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