Der VSME-Standard für die freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung in der EU

Prof. Ursula Binder
Der vollständige Name des so genannten VSME-Standards lautet: „Voluntary Standard for Small and Medium sized Enterprises“. Wie der Namensteil „for Small and Medium sized Enterprises“ schon sagt, war dieser Standard ursprünglich nur für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gedacht. Diesen sollte mit dem VSME-Standard ein pragmatisches Format für die freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung zur Verfügung gestellt werden, das sich eng an die CSRD-Richtlinie [1] anlehnt, sozusagen eine „CSRD light“.

Inzwischen wird darüber diskutiert, den Kreis der ursprünglich für die Nachhaltigkeitsberichtspflicht vorgesehenen Unternehmen wieder einzuengen (s. auch die Erläuterungen dazu weiter unten). Damit erhält aber das VSME-Format möglicherweise ein viel größeres Gewicht, jedenfalls einen größeren Anwenderkreis, als ursprünglich vorgesehen.

Viele große Unternehmen [2] haben in den letzten zwei Jahren bereits umfangreiche Vorbereitungen für den Eintritt in die Nachhaltigkeitsberichtspflicht nach CSRD getroffen. Deren Einstieg findet aber nun mindestens zeitlich verschoben statt, wenn er nicht sogar für viele Unternehmen völlig entfallen wird, wenn die Grenze für die Mitarbeitendenzahl deutlich nach oben gesetzt werden sollte. Das würde für diese Unternehmen einerseits eine Erleichterung bedeuten, andererseits aber auch einen Grund für Verärgerung angesichts des Aufwands, der dann „umsonst“ gewesen sein würde.

Sollten sie sich hingegen entschließen, dennoch freiwillig zu berichten, könnte der VSME-Standard eine willkommene Alternative zu der umfangreichen Pflichtversion (CSRD/ESRS) [3] bieten. Der Einstieg/Umstieg in den VSME-Standard dürfte für sie wegen der bereits getätigten Vorbereitungen dann vergleichsweise leicht sein.

Ein weiterer Grund für die freiwillige Berichterstattung könnte neben einer intrinsischen Motivation auch die Tatsache sein, dass nicht berichtspflichtige Unternehmen von ihren größeren nachhaltigkeitsberichtspflichtigen Vertragspartnern immer häufiger um Informationen für deren eigenen Nachhaltigkeitsbericht gebeten werden. Häufig sind das genau die Informationen, die mit dem VSME-Standard abgedeckt sind. Auch deshalb gibt es von Seiten der EU-Kommission die Überlegung, den berichtspflichtigen Unternehmen zu gestatten, die Abfragen bei ihren Stakeholdern auf die mit dem VSME-Standard abgedeckten Inhalte zu beschränken. Das wäre eine echte Erleichterung für beide Seiten.

Der aktuelle Stand des VSME-Standards

Der VSME-Standard existiert inzwischen bereits in seiner zweiten Version, die aus dem Dezember 2024 stammt [4]. In diese Version sind in großem Umfang Vorschläge und Einwände von Stakeholdern zu sinnvollen Veränderungen eingeflossen.

Die wichtigsten Dokumente inkl. Erklärungen und unterstützende Videos können auf der Hauptseite der EFRAG [5] unter folgendem Link abgerufen werden: https://www.efrag.org/en/projects/voluntary-reporting-standard-for-smes-vsme/concluded

Eine der wichtigsten Erleichterungen des VSME-Standards gegenüber den Vorgaben der CSRD ist die, dass keine so genannte doppelte Wesentlichkeitsanalyse [6] durchgeführt werden muss. Tatsächlich muss nach VSME natürlich gar nichts bzw. gar nicht berichtet werden, da der Standard ja nur für Unternehmen relevant ist, die nicht berichtspflichtig sind. Das bedeutet, diese Unternehmen können für ihre freiwillige Berichterstattung auf jeden beliebigen Standard zurückgreifen, auch z.B. auf den etablierten GRI-Standard. [7]
Eine deutsche Version eines Berichtsstandards, der vor allem von Unternehmen in Anspruch genommen wurde, die freiwillig berichteten, wurde bisher vom Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK [8]) angeboten. Dieser „alte“ DNK-Standard wird nun nicht mehr angeboten. Vielmehr bietet der DNK jetzt konkrete Unterstützung bei der Anwendung des VSME-Standards oder bei der Umsetzung der CSRD-Richtlinie und zusätzlich für die Migration vom „alten“ DNK-Standard zum VSME-Standard oder zur CSRD an. https://www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de/de/berichtspflichten/vsme/ 

Die EFRAG selber leistet ebenfalls Unterstützung bei der Anwendung des VSME-Standards, und zwar mit ihrem „VSME Digital Template“ [9] (Excel-Datei).

Auf der gleichen Internetseite der EFRAG erhält man auch Zugang zu einem so genannten „XBRL Taxonomy Package“. Das XBRL Taxonomy Package ist ein digitales Paket, das die Datenstruktur und die einzelnen Datenpunkte des VSME-Standards eindeutig und herstellerunabhängig definiert, so dass eine standardisierte und interoperable Weitergabe der Nachhaltigkeitsdaten auch zwischen verschiedenen Unternehmen ermöglicht wird.

Die Struktur des VSME-Standards

Der VSME-Standard besteht im Wesentlichen aus zwei Modulen, dem Basis-Modul und dem Comprehensive Module. Ein drittes Modul (Additional Financial Institutions-Module) ist hauptsächlich relevant für Unternehmen, die spezifische ESG-Finanzierungen von Banken oder Investoren beantragen wollen und wird daher hier nicht näher erläutert.

Basis-Modul: 

Das Basis-Modul ist der Zielansatz für Kleinstunternehmen und stellt Mindestanforderungen für die anderen Unternehmen auf. Es beinhaltet die in der folgenden Tabelle aufgelisteten „Berichtspflichten“. Der Begriff „Berichtspflicht“ ist missverständlich, da der gesamte VSME-Standard ja von freiwilliger Berichterstattung ausgeht und daher gar nichts verpflichtend berichtet werden muss. Will ein Unternehmen aber kenntlich machen, dass es vollständig nach VSME berichtet, dann müssen diese „Berichtspflichten“ eingehalten werden.

In der folgenden Tabelle sind die Unterstandards B1 bis B11 des Basis-Moduls aufgelistet sowie ein Hinweis auf deren inhaltliche Verbindung zu den nach CSRD verpflichtenden ESRS-Standards.

Basis-Modul.jpg

Comprehensive Module:

Die Anwendung des Basis-Moduls ist Voraussetzung für die Anwendung des Comprehensive Module. Das Comprehensive Module legt weitere Datenpunkte zusätzlich zu den Offenlegungen nach B1-B11 fest, die typischerweise von spezifischen Stakeholdern des Unternehmens zusätzlich zum Basis-Modul angefordert werden. 

Comprehensive Module.jpg

AFI-Modul: 

Das „Additional Financial Institutions-Module” liefert spezielle Angaben für die Nachfrage nach ESG-Finanzierungen. Grundsätzlich ist vorgesehen, dass ein Modul entweder „ganz oder gar nicht“ ausgefüllt wird. Allerdings gibt es dabei die Einschränkung: „if applicable“. Wenn also vom Unternehmen festgestellt wird, dass Teile eines Moduls für das Unternehmen nicht „applicable“, nicht anwendbar, d.h. nicht relevant sind, dann kann auf deren Angabe verzichtet werden. Diese Prüfung ähnelt der auf doppelte Wesentlichkeit nach CSRD, allerdings erfolgt die Prüfung hier nur in eine Richtung. Es wird nur der „impact“ geprüft, also die Auswirkung der Geschäftstätigkeit auf die Umwelt (inside-out), nicht mögliche finanzielle Auswirkungen der Umwelt auf das Unternehmen (outside-in), wie bei der doppelten Wesentlichkeitsanalyse.

Zwei ausgewählte Beispiele

Die folgende Tabelle zeigt beispielhaft anhand von zwei Unterstandards (B3 und B5), was der Berichtsstandard VSME konkret an Inhalten (Datenpunkten) fordert. Zum Vergleich: Allein zum Thema Energie und Treibhausgasemissionen (hier B3) sind nach der derzeit gültigen Version der ESRS (ESRS E1-5 und E1-6) zusammengerechnet 58 Datenpunkte zu berichten.

Berichtsinhalte_VSME-Standard.jpg

Wo wir jetzt stehen und wie es weitergeht [10]

So war es geplant: Ab dem Geschäftsjahr 2025 sollten alle großen Unternehmen in der EU verpflichtet sein, einen Nachhaltigkeitsbericht nach den Regeln der EU-weiten Richtlinie CSRD zu veröffentlichen. Das wären rund 15.000 Unternehmen alleine in Deutschland gewesen.

Warum wären? Zum einen wurden nicht alle EU-Länder (auch Deutschland nicht) rechtzeitig mit der Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht fertig. Zum anderen gab es aus unterschiedlichen Richtungen (Berufsverbänden, Wirtschaftsprüfern etc.) Widerstand gegen den Umfang und die Komplexität der Vorschriften und den damit verbundenen Aufwand für die Umsetzung in den Unternehmen.

Daraufhin hat die EU-Kommission drei wesentliche Maßnahmen ergriffen (so genanntes Omnibus-Paket) [11]: 
  1. Erlass der „Stop-the-Clock“-Richtlinie (EU 2025/794) [12]: Danach wurde die Einführung der Berichtspflicht für große Unternehmen um zwei Jahre verschoben (erstmalige Berichterstattung für das Geschäftsjahr 2027)
  2. Beauftragung der EFRAG zur Erarbeitung einer reduzierten Version der ESRS 
  3. Diskussion darüber, ob die Grenze für den Eintritt in die Berichtspflicht bezogen auf die Mitarbeitendenzahl von 250 auf 1000 oder eine noch höhere Zahl heraufgesetzt werden soll 

Die Diskussionen und Erarbeitungen sind bis heute (November 2025) noch nicht abgeschlossen. Den aktuellen Stand der Entwicklung kann man auf der folgenden Internetseite abrufen: https://www.efrag.org/en/amended-esrs 


Quellen:



letzte Änderung P.D.U.B. am 03.11.2025
Autor:  Prof. Ursula Binder


Autor:in
Frau Prof. Dr. Ursula Binder
Professorin für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Rechnungswesen und Controlling an der TH Köln, vorher kaufmännische Leiterin eines mittelständischen Dienstleistungsunternehmens, Unternehmensberaterin, Seminarleiterin (Inhouse und öffentliche Seminare), Verfasserin von Lernbriefen für das Fernstudium, Autorin: Nachhaltigkeitsberichterstattung in mittelständischen Unternehmen, Haufe 2024, Schnelleinstieg Controlling, 8. Auflage 2023, Die 5 wichtigsten Steuerungsinstrumente für kleine Unternehmen, 1. Auflage 2017, Kennzahlen-Guide für Controller, 1. Auflage 2019.
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