Fällt die Entscheidung, sich um öffentliche Aufträge zu bemühen, stehen nicht mehr nur betriebswirtschaftliche und controllingspezifische Aspekte im Vordergrund. Es geht auch um Fragen des
Vergaberechts und des
öffentlichen Preisrechts. Nur durch Kenntnis dieser einschlägigen Vorschriften können Sie sicherstellen, dass Ihr Unternehmen erfolgreich an Ausschreibungen teilnimmt und eine mögliche spätere Preisprüfung ohne wirtschaftlichen Schaden übersteht.
Öffentliche Aufträge
Aufträge des Bundes, der
Länder, der
Gemeinden und
Gemeindeverbände sowie der sonstigen
juristischen Personen des öffentlichen Rechts an Unternehmen der privaten Wirtschaft. Während die
VOL (Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen) vorwiegend das Prozedere bis zur Auftragserteilung regelt, sind es die
LSP (Leitsätze zur Preisermittlung) und die
VO PR 30/53 (Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen), die die Vorkalkulation, aber vor allem auch die
Nachkalkulation und die abzugebenden Verwendungsnachweise sowie die Preisprüfung regeln.
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Vorschriften des öffentlichen Preisrechts beachten
Schon bei der
Beteiligung an einer Ausschreibung und der
Abgabe des Angebotes werden die Weichen gestellt, ob das Projekt wirklich betriebswirtschaftlich und preisrechtlich erfolgreich wird. Ob klassische öffentliche Aufträge, Zuwendungen, Zuschüsse oder Fördermittel - alles unterliegt nicht nur den betriebswirtschaftlichen Richtlinien, sondern in hohem Maße auch den
vergabe- und preisrechtlichen Vorschriften. Und die können - je nach öffentlichem Auftraggeber - zumindest in Feinheiten auch zusätzlich noch unterschiedlich ausgestaltet sein.
In welchem Umfang die
Vorschriften des öffentlichen Preisrechts zu beachten sind, zeigt Ihnen oft schon ein genauer Blick in die
Leistungsbeschreibung bzw.
Angebotsaufforderung. Auf eine Preisprüfung können Sie sich schon einstellen wenn diese Begriffe verwendet werden:
- Begriffe Preisprüfung,
- Selbstkostenfestpreis,
- Selbstkostenrichtpreis oder
- Selbstkostenerstattungspreis.
Achtung: nicht immer ist von vornherein klar , ob es zu einer Preisprüfung kommt. Die Preisprüfung kann in der Praxis durchaus auch überraschend kommen.
Zentrale Frage wird sein, ob es sich bei der Leistung des Unternehmens um eine
marktgängige Leistung handelt. Bei einer Ausschreibung, an der sich mehrere Unternehmen bewerben, wird das sicherlich der Fall sein. Wenn sich die Ausschreibung von vornherein aber nur an einen
eingeschränkten Bieterkreis richtet, kann man nicht unbedingt davon ausgehen. Bei
Leistungen, für die es tatsächlich keinen Markt gibt - wie z.B. im
Verteidigungsbereich oder bei innovativen Lösungen - ist die Beurteilung einfach. Bei handwerklichen Leistungen wird es im Gegenzug wohl grundsätzlich einen Markt geben.
In eine
Grauzone fallen jedoch nicht frei und allgemein verfügbare Lösungen. Regelmäßig häufig wird auch bei
Dienstleistungen davon ausgegangen, dass
keine marktgängige Leistung vorliegt. Ein gutes Beispiel dafür ist die Marktforschung. Als Ersatz für eine wettbewerbliche Preisbildung erfolgt bei nicht marktgängigen Leistungen eine Preisbildung aufgrund von Selbstkosten nach den Vorschriften der LSP. Hier kommen
drei Preistypen zur Anwendung - prioritär geordnet als sog.
Preistreppe. Je nach Kalkulationsmöglichkeit wird unterschieden zwischen
- Selbstkostenfestpreis,
- Selbstichtpreis und
- Selbsterstattungspreis.
Der Selbstkostenfestpreis beruht auf einer Vorkalkulation, die spätestens bei
Vertragsabschluss bzw. unmittelbar danach als
Auftragspreis festzulegen ist.
Sowohl beim
Selbstkostenrichtpreis als auch beim
Selbstkostenerstattungspreis kommt es aber zu einer
Neufestsetzung der Auftragshöhe nach Vertragsschluss. Eine nachträgliche Erhöhung der Auftragssumme ist jedoch so gut wie ausgeschlossen. Diese beiden Preistypen können folglich lediglich zu einer
Reduzierung des ursprünglichen Preises führen. Im Jahr 2010 wurden 2.740 öffentliche Aufträge und Zuwendungen mit einer Gesamtsumme von ca. 2,9 Mrd. Euro geprüft. In fast jedem dritten Fall ergab sich eine
Rechnungskürzung aufgrund des Ergebnisses der
Preisprüfung.[1]
Die Überprüfung der
Selbstkostenpreise erfolgt beinahe regelmäßig mit einer
Einzelpreisprüfung und einer vorgeschalteten
Grundsatzprüfung. Hier stehen speziell die Feststellung der preisrechtlich erlaubten
Stundensätze und
Gemeinkostenzuschläge im Focus. Die zentrale Frage ist: haben wirklich alle betriebswirtschaftlich verrechneten Positionen auch vor dem öffentlichen Preisrecht Bestand?
Das Ergebnis wird Abweichungen ergeben - das ist sicher. Und diese können sich in beide Richtungen ergeben. Stellt der Preisprüfer einen höheren Preis als den vertraglich vereinbarten fest, bedeutet dies nicht, dass sich das Unternehmen auf eine Nachzahlung freuen darf, da die Selbstkostenpreise vertraglich höchstbegrenzt sind. Im anderen Fall wird aber der niedrigere festgestellte Preis als korrigierte Auftragssumme festgesetzt und das Unternehmen muss die
Differenz an den Auftraggeber zurückzahlen, egal ob dieser Auftrag betriebswirtschaftlich gesehen erfolgreich war oder nicht. Erschwerend kommt oft hinzu, dass bestimmte
Kalkulationspositionen nur begrenzt oder überhaupt nicht mit anderen Positionen austauschbar sind. Die entsprechenden Vorschriften sind durchaus komplexer und Sie als Unternehmen sind diesen Vorschriften auch nicht ganz hilflos ausgeliefert. Aber ich will es mit diesem Kurzausflug in das öffentliche Preisrecht bewenden lassen.
Wie kann Controlling die Prüfsicherheit öffentlicher Aufträge stärken?
Es beginnt mit der
Qualitätssicherung der Vorkalkulation, die bereits so ausgestaltet sein muss, dass sie als eine der Grundlagen für den Vertragsabschluss kein Hindernis auf dem Weg zu einer erfolgreichen Preisprüfung ist. Nächster Schritt ist, für ein
ordentliches Controlling der öffentlichen Aufträge während der gesamten Laufzeit zu sorgen – immer mit Blick auf eine vorweggenommene Nachkalkulation, die den Vorschriften des öffentlichen Preisrechts nicht entgegen läuft.
Die Abwicklung der öffentlichen Aufträge ist in das bestehende betriebswirtschaftliche System zu integrieren. Das Controlling muss während der gesamten Laufzeit des öffentlichen Auftrages ein Gefühl entwickeln, wie sich - auf den Prüfzeitpunkt hochgerechnet - die
Nachkalkulation, der
Verwendungsnachweis und die
Preisprüfung darstellen. Zur vernünftigen und optimalen Steuerung dieser Aufträge muss der Controller über sehr gutes Produkt- und Auftrags-Know-how und über Beratungskompetenz verfügen. Ein kontinuierlicher Kontakt mit dem Projektleiter bzw. fachlich Verantwortlichem auf Augenhöhe ist unerlässlich.
Es zahlt sich aus, entsprechendes Know-how aufzubauen oder "einzukaufen", sofern sich Unternehmen mehr als einmal um öffentliche Aufträge, Zuwendungen oder Fördermittel bewerben wollen.
Fußnote
[1]
bmwi.de/BMWi/Navigation/Wirtschaft/Wirtschaftspolitik/oeffentliche-auftraege,did=190906.h...
Download des vollständigen Beitrages:
Controlling bei öffentlichen Aufträgen
letzte Änderung M.S.
am 12.11.2021
Autor:
Michael Singer
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Autor:in
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Herr Michael Singer
Michael Singer ist seit 1988 ausführlich mit der Thematik „Öffentliches Preisrecht und Preisprüfungen“ beschäftigt. Er berät Unternehmen vor Preisprüfungen und auf dem Weg zu prüfsicheren öffentlichen Aufträgen. Außerdem veranstaltet er praxisorientierte und für betroffene Unternehmen maßgeschneiderte inhouse-Seminare.
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