1. Problemstellung
Aufgrund von Nachfrageproblemen seit Herbst 2019 – verstärkt durch die Corona-Pandemie - müssen viele Unternehmen entscheiden, wie sie ihre Produktionen auf geringere Absatzmengen einstellen wollen. Häufig werden sie um einen Abbau ihrer Kapazitäten nicht herumkommen.
Die Lufthansa spricht im Mai 2020 davon, dass sie ca. 100 Flugzeuge sogar mittelfristig nicht mehr braucht, was deutlich über 10% der Flotte ausmacht. Auch viele andere Airlines sehen sich gezwungen, ihre Flottenplanungen nach unten zu korrigieren. Dies hat bei den beiden großen Flugzeugherstellern Airbus und Boeing zu großen Problemen geführt. Sah es Anfang des Jahres 2020 noch so aus, als würde das Problem nur darin bestehen, möglichst viele A320neo und 737max zu produzieren, hat sich das Bild nun dramatisch geändert. Die Auftragsbestände, die eigentlich mindestens 5 Jahre Vollbeschäftigung garantieren sollten, schmelzen angesichts von Stornierungen und Verschieben so schnell zusammen, dass die beiden Duopolisten Boeing und Airbus bereits ihre Produktionsraten gesenkt haben. Airbus hat sogar den Ausbau seiner Fabrik in Toulouse gestoppt und seine Produktionsrate um 40% gesenkt. Tausende von Arbeitsplätzen sollen abgebaut werden. Boeing musste die wichtige Übernahme von Embraer abbrechen, obwohl das hohe Strafzahlungen nach sich ziehen wird.
Auch andere Branchen verfügen durch den Nachfragerückgang über zu hohe Kapazitäten, welche zu Leerkosten führen. So wollen auch manche Autohersteller einige Werke schließen. Da viele Marktbeobachter davon ausgehen, dass das Vorkrisenniveau erst in vielen Jahren wieder erreicht sein wird (LH sagt 2023, andere ev. sogar erst in 10 Jahren), stellt sich die Frage, wie sich der Kapazitätsabbau betriebswirtschaftlich am besten bewerkstelligen lässt. Es geht somit nicht um eine kurze Überbrückungszeit von z. B. einige Wochen, sondern um einen nachhaltigen kurzfristig nicht mehr reversiblen Abbau von Kapazitäten.
Besonders wichtig sind dabei die Anpassungen beim Personal und bei den Produktionsmitteln. Der Kapazitätsabbau bei den Produktionsmitteln wird im Folgenden näher untersucht.
2. Relevante finanzielle Größen
Die Betriebsmittel (Fahrzeuge, Flugzeuge, Anlagen, Maschinen, Gebäude, Fabriken usw.), die jetzt teilweise abgebaut werden müssen, wurden in der Vergangenheit für ein ganz anderes Szenario beschafft. Dies galt insb. für die erwarteten Absatzmengen. Wenn jetzt die Mengen auch mittelfristig gering bleiben, müssen einige bereits beschaffte oder bestellte Betriebsmittel aus der Produktion bzw. Planung genommen werden. Hier stellt sich die Frage, wie der Schaden gering gehalten werden kann.
Ausgangspunkt der Optimierungen ist die Einsicht, dass die historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten nicht mehr relevant sind. Sie stellen weitgehend Sunk Cost dar, dürfen also nicht mehr in die Entscheidung eingehen. Dabei können sich Sunk Cost auf bereits angefallene Kosten beziehen, aber auch auf zukünftige Kosten, wenn diese nicht mehr beeinflussbar sind (vgl. zu dieser zweiten häufig nicht erwähnten Komponente Hoberg (2018, S. 1 ff.). Das Standardbeispiel besteht in den Rückbaukosten für Atomkraftwerke, die zwar noch nicht angefallen sind, aber der sich die Kraftwerksbetreiber nicht entziehen können (es sei denn durch Konkurs).
Diese Erkenntnis wird vielen Unternehmen weh tun, insb. wenn sie sich damit abfinden müssen, dass gerade erste beschaffte Spezialanlagen fast keinen Wert mehr aufweisen. Relevant sind nur die aktuellen bzw. zukünftigen Marktpreise. Im schlimmsten Fall müssen sogar noch Entsorgungskosten beim Abbau von Spezialmaschinen bezahlt werden.
In der nachfolgenden Abbildung wird gezeigt, inwieweit unterschiedliche Anlagetypen von Wertverlusten betroffen sind:
Letzte Änderung W.V.R am 22.02.2022
Autor(en):
Dr. Peter Hoberg
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