Der Artikel basiert auf der Masterarbeit von Vedat Günes (2025), Fachhochschule Dortmund, unter Betreuung und Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Marco Boehle.
Noch vor wenigen Jahren war der Begriff "
Künstliche Intelligenz" (KI) sehr weit entfernt. Sie war schlicht eine Zukunftstechnologie. Innerhalb weniger Jahre wurde aus der Zukunftstechnologie Realität. Während in einigen Berufen bereits darüber diskutiert wird, ob sie durch die KI ersetzt werden, hält sich die Controlling-Literatur noch immer sehr bedeckt.
Fast ausschließlich ist die Rede von den Vorzügen der KI-Einführung. Es wird von Chatbots geschrieben, die eine
Assistenz-Funktion einnehmen können und auf Wunsch
Kennzahlen benennen. Die KI zeigt jedoch bereits Fähigkeiten, die die Frage aufkommen lassen, ob die KI nicht auch die Interpretation, also das Storytelling, übernehmen können und darüber hinaus Handlungsempfehlungen geben könnten.
Die KI kann Daten interpretieren, Zusammenhänge feststellen und könnte auch Handlungsempfehlungen geben. Am Beispiel des
Forecastings im
Controlling ist das Ziel der Studie, ein Modell zum KI-gestützten
Forecasting zu konzipieren und damit gängige Herausforderungen im konventionellen Forecasting-Prozess zu adressieren.
Um das Ziel zu erreichen, erfolgte eine
vorgelagerte strukturierte Literaturanalyse sowie
Experteninterviews zum konventionellen Forecasting. Die Ergebnisse der Literaturanalyse, die aus Platzgründen nicht in diese Publikation einfließen, sind Basis zur Modellbildung.
Herausforderungen im Forecasting anhand von Experteninterviews
An den Interviews nahmen in
2024 insgesamt 4 Controller teil. Bei den meisten dieser handelte es sich um Controller aus
mittelständischen Unternehmen aus Deutschland. Die Interviewpartner sind aktive Controller aus der Unternehmenspraxis. Die Interviews dienten dazu, bestehende Probleme und Herausforderungen im konventionellen Forecasting zu erheben. Auch diese Inhalte floßen in die Modellbildung ein, um einen lösungsorientierten Ansatz zu entwickeln. Die
Problemfelder beziehen sich auf Datenverfügbarkeit und -qualität, prozessuale Herausforderungen und die relative Genauigkeit.
Zusammenfassend lässt sich zur
Datenverfügbarkeit und
-qualität festhalten: Während die Rohdaten technisch verfügbar sind, verhindern mangelnde Automatisierung und unzureichende Systemintegration eine effiziente, konsistente und vertrauenswürdige Forecast-Erstellung. Die Ursachen liegen primär in fehlenden Tools, Ressourcen und Prozessen zur Datenaufbereitung und -validierung.
Der untersuchte Forecasting-Prozess ist durch manuelle Datenverarbeitung, hohe Komplexität und begrenzte Tool-Unterstützung geprägt. Häufig ist
MS-Excel im Einsatz, was jedoch als unzureichend für komplexe Anforderungen bewertet wird. Alle Befragten berichten von hohem manuellem Aufwand zur Bereinigung und Strukturierung der Daten. Dies bindet personelle
Ressourcen und verhindert eine moderne, strategisch ausgerichtete Rolle der Controller.
Forecast-Werte werden in interdisziplinären Runden überprüft, qualitative Daten (z. B. Marktanalysen) werden ergänzend herangezogen. Eine Kommentierung wird zwar als zentrale Aufgabe der Controller gesehen, jedoch mangelt es häufig an Zeit für fundiertes "
Storytelling". Der gesamte Prozess dauert drei bis vier Arbeitstage, wobei ca. 70 % der Zeit für analytische Tätigkeiten aufgewendet wird. Die hohe
manuelle Belastung verhindert die Weiterentwicklung der Controller zur Business-Partner-Rolle und führt teils zu Überstunden bei der Fehlerkorrektur.
Die aktuelle
Forecast-Genauigkeit erscheint hoch, basiert jedoch vielfach auf konservativen Einschätzungen und ist durch subjektive sowie technologische Limitierungen eingeschränkt. So wird berichtet, dass die Prognosen systematisch unter den später realisierten Werten liegen, um negative
Abweichungen zu vermeiden und Managementkritik zu entgehen. Die dominante Nutzung von MS-Excel wird als Hauptursache für Komplexität und
Fehleranfälligkeit identifiziert.
Ein potenzielles KI-Forecasting-Modell
Um eine mögliche Ausgestaltung eines KI-gestützten Forecasting zu entwickeln, soll im Folgenden das Beispiel
monatliches Forecasting des Umsatzes herangezogen werden. Bezüglich der Auswahl der zu wählenden Art des maschinellen Lernens ist die überwachte zu bevorzugen. Wie sich folgend zeigen wird, sind reale Daten des Unternehmens aus vergangenen Perioden besonders gut als
Trainingsdaten geeignet. In diesem Fall wäre der Person, die das Modell trainiert, bereits bekannt, welchen Wert das Modell ermitteln müsste.
Bei der Anwendung der grundlegenden Funktionsweise eines Künstlich Neuronalen Netzes (KNNs) auf das Forecasting sollte nach Erachten des Verfassers dieser Arbeit an der
Output-Schicht angesetzt werden. Denn so kann festgelegt werden, wie das Ergebnis ausgestaltet sein soll. Die OutputSchicht besteht aus einem einzelnen künstlichen Neuron. Dieses gibt als Output einen Wert bzw. einen Betrag wieder. Bei diesem handelt es sich um den geforecasteten Wert für den zu forecastenden Monat. Damit ein KNN einen solchen Wert ermitteln kann, benötigt es Input.
Daher bietet es sich an, die
Input-Schicht als nächstes näher zu betrachten. Bei diesem handelt es sich vor allem um historische Daten des Unternehmens. Hierzu können etwa die Höhe des Umsatzes der vergangenen Monate, die relative Veränderung des Umsatzes, die Anzahl getätigter Kundenanrufe, Kundentreffen etc. gehören. Jedoch bietet die Verwendung eines KNN an, auch weniger offensichtliche Kennzahlen als Input einzusetzen. So könnte die Anzahl der
FTEs (Full Time Equivalent = Vollzeit-Mitarbeiterzahl) des Unternehmens und die relative Veränderung dieser auch Input für ein KI-Forecasting-Modell darstellen.
Der Grund, weshalb solche Kennzahlen auch Verwendung finden sollten, liegt an einem Umstand, der im Rahmen der Arten des maschinellen Lernens angesprochen wurde: Ein KI-Modell kann Zusammenhänge finden, auf die ein
rational-denkender Mensch nicht kommt. Daher darf angenommen werden, dass, falls solche versteckten Verbindungen zwischen der Umsatzentwicklung und etwa der Veränderung der FTEs existieren, diese durch eine KI gefunden und in der Gewichtung als wichtig eingestuft werden.
Gleiches gilt ebenfalls für andere Kennzahlen, deren Verbindung zum Umsatz noch stärker verborgen ist. Nun stellt sich die Frage, wie die KI es schafft, diese Verbindungen zu finden und korrekt zu bewerten. Hier kommen erneut die Erkenntnisse aus der Betrachtung der verschiedenen Lernarten, insbesondere des überwachten Lernens, zum Einsatz. Bei der Anwendung des überwachten Lernens kommt ein
Übungs-Datensatz zum Einsatz. Dieses hat einen bestimmten Output, den das Modell ausgeben soll oder dem es sich zumindest nähern soll.
Damit das Modell im Rahmen des überwachten Lernens für das Unternehmen relevante Verbindungen finden kann, sollten als Übungs-Datensatz echte, vergangene Daten des Unternehmens eingesetzt werden. Denn so kann das Modell für das Unternehmen typische Verbindungen zwischen den Kennzahlen ausfindig machen. Auch ist hier das Ergebnis bekannt, weil der
IST-Datensatz zu einem Betrag führen soll, der schon realisiert wurde.
Nun würde das Modell in der ersten Iteration einen vollkommen zufälligen Wert ermitteln. Dieser kann beliebig weit über oder unter dem tatsächlichen
IST-Umsatz liegen. Im verwendeten Beispiel in Abbildung 8 wird davon ausgegangen, dass das Modell einen Forecast von 1,437 Tsd. Euro ermittelt und, dass der tatsächliche Umsatz bei 857 Tsd. Euro liegt.
Um sich dem tatsächlichen
Umsatzwert zu nähern, passt das Modell die Gewichtungen der Verbindungen der künstlichen Neuronen nun so an, dass der Forecast in der nächsten Iteration geringer ausfällt und sich dem IST nähert. Über viele Iterationen und Anpassungen stellt das Modell die Gewichtungen so ein, dass es unter Verwendung der Testdaten auf einen Forecast kommt, der dem IST sehr nahe liegt. An diesem Punkt deckt die KI die angesprochenen unscheinbaren Verbindungen auf.
Denn nun könnte es sein, dass das Modell erst dann einen guten Forecast-Wert errechnet, wenn es die
Gewichtung der Verbindungen der FTEs erhöht hat, sodass sich diese besonders stark durchschlagen. Erreicht das Modell einen guten Forecasting-Wert, wird es mit einem Testsatz getestet. Bei diesem kann es sich schlicht um die Daten eines anderen Monats handeln. Erreicht es auch hier auf Anhieb einen guten Wert, dann könnte es mit den Daten weiterer Monate getestet werden. Ist das Modell ausreichend getestet worden und hat im Durchschnitt gute
Prognosen geliefert, kann es mit aktuellen Daten versorgt werden, um die Prognose für den aktuellen, noch nicht abgeschlossenen Monat durchzuführen.
Jedoch sollte erwähnt werden, dass ein solches KI-Modell nicht allein Vorteile mit sich bringt. Gerade kurz nach der Implementierung kann es vorkommen, dass der Prognose nicht vertraut wird, da sie allein darauf ausgerichtet ist, Wahrscheinlichkeiten (in Form der Gewichtungen) zu bewerten. Eine
Begründung auf
Basis von Geschäftsvorfällen wäre in einem solchen Modell zunächst nicht gegeben. Dem können Anwender entgegenwirken, indem sie dem Modell auch Zugriff auf dokumentierte Geschäftsvorfälle geben. Wie genau diese auf das Forecasting anzuwenden sind, findet das Modell selbst heraus.
Eine weitere Möglichkeit, ein solches Modell effizienter zu nutzen, wäre es, das Modell nicht den gesamten Forecast ermitteln zu lassen. Ein Forecast besteht teilweise aus
unbekannten Variablen und teilweise aus Konstanten. Unter Beachtung dieser Gegebenheit kann es durchaus zu besseren Forecasts führen, wenn das Modell allein auf das Forecasten der unbekannten Variablen angesetzt wird. Denn die Konstanten, bei denen es sich häufig um geschlossene Verträge über einen bestimmten Zeitraum handelt, zeigen in der Regel die Höhe der zu erwartenden Umsätze sehr deutlich. Das Forecasting bestünde dann also aus einem KI-Teil und einem NichtKI-Teil.
Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass Controller in der Zukunft weiterhin das Forecasting manuell und mit Hilfe von Excel anfertigen müssen. Über
Schnittstellen zum
ERP-System kann das Modell auch mit den Daten zu den Konstanten versorgt werden, sodass es am Ende der Berechnung des Forecasts die Konstanten und die ermittelten Variablen aufaddiert und somit einen Wert für den
Gesamtforecast errechnet. Das teilweise KI-Forecasting hat den extremen Vorteil, dass der Anteil des Forecasts, der von Grund auf prognostiziert werden muss, geringer ist als der Teil, der auf Fakten basiert.
Ein solches Modell stellt ein enorm
starkes Tool für das Controlling dar. Gerade dann, wenn es in einer Art und Weise aufgebaut wird, welche die Anzahl der unbekannten Variablen so gering wie möglich hält. Die Effekte, die ein solches Modell auf das Forecasting haben könnte, werden folgend beschrieben.
Verbesserungen des Forecastings durch KI
Dieser Punkt der Arbeit befasst sich tiefgreifend mit den Veränderungen, die sich im Forecasting zeigen, wenn ein KI-Modell, wie es im vorherigen Punkt beschrieben wurde, den Prozess unterstützt. Dabei werden die Probleme und Herausforderungen der Controller aus vorgelagerten
Experteninterviews adressiert, um durch die KI-Anwendung Gestaltungsempfehlungen zu entwickeln.
Wie zuvor beschrieben, schilderten alle Experten vor allem Herausforderungen in Bezug auf die
Datenverfügbarkeit und auf die
Datenqualität. Vor allem die Tatsache, dass es im Forecasting-Prozess oftmals nötig ist, die Daten-Extrakte aus dem ERP-System manuell aufzubereiten, ist für die Controller sehr aufwändig. Im konventionellen Forecasting müssen Controller hierauf zurückgreifen, weil in der Regel mit Tools gearbeitet wird, die keine automatisierbare Schnittstelle zum ERP-System anbieten. Hier ist vor allem Excel zu nennen. Dieses Programm macht es zwingend notwendig, dass Daten aus dem ERP-System heruntergeladen werden, in die richtige Form gebracht und in eine Excel-Tabelle hineinkopiert werden müssen.
Mit der Einführung eines Modells, das das Forecasting übernimmt, würde der Schritt der manuellen Datenbeschaffung und -aufbereitung wahrscheinlich entfallen. Denn KI-Modelle können so konzipiert werden, dass sie Schnittstellen zu anderen Systemen zulassen. In diesem Zusammenhang ist eine mögliche Anbindung an das ERP-System hervorzuheben. Dies würde es möglich machen, dass das KI-Modell, wann immer nötig, ein neues
Datenextrakt aus dem ERP-System erhält und dieses als Basis für das Forecasting verwendet.
Gerade auch mit Blick auf die Entwicklung von Systemen wie der zuvor behandelten KI-Lösung von
SAP ist eine solche Entwicklung als wahrscheinlich einzustufen. Dies hätte zwei wesentliche Effekte auf die von den Controllern beschriebenen Herausforderungen. Zum einen kann das Modell so aufgebaut werden, dass es stets aus einer Quelle die benötigten Daten erhält. Hierdurch müsste sich die
Controlling-Abteilung nicht weiter mit dem Problem der Daten-Inkonsistenz aus verschiedenen Tools beschäftigen. Dadurch, dass sich das Modell künftig allein auf eine Quelle bezieht, ist dieses als "
Single Source of Truth" die einzige Sicht, die betrachtet wird.
Der zweite Effekt wäre, dass die Daten in der Zukunft nicht mehr manuell aufbereitet werden müssen. Ein KI-Modell kann sehr große Datenmengen und teilweise auch unstrukturierte Daten verarbeiten. Dieser Umstand ist deshalb so wichtig, weil er das Forecasting grundliegend von menschlichen Fehlern befreit. Denn die manuelle Aufbereitung von Daten führt unweigerlich dazu, dass vor allem dann, wenn sich die
Datenstruktur ändert, Fehler entstehen. Die Einführung eines KI-Modells, das an die Datenquelle angebunden ist, lässt nicht weiter zu, dass es zu solchen Fehlern kommen kann. Somit steigt auch das Vertrauen der berichtenden Controller in die Forecasts.
Weitere
Nebeneffekte sind zum einen die Tatsache, dass die Controller sehr viel weniger von der Arbeit mit Excel abhängig sind. Hierdurch verliert das Forecasting erheblich an Komplexität in der Aufbereitung für die Anwender. Die Wahrscheinlichkeit manueller Fehler wird weiter verringert. Zum anderen erspart ein KI-Modell den Controllern sehr viel Zeit. Diese berichteten davon, dass sie oftmals einen großen Teil ihrer Zeit in die Aufbereitung der Daten investieren müssen, wodurch ihnen wenig Zeit für wesentlichere Aufgaben wie die Kommentierung bleibt.
Ein dediziertes KI-Modell
wirkt auch diesem Umstand entgegen. So kann das Controlling erheblich mehr Zeit in die
Findung und Kommentierung der
Geschäftsvorfälle investieren, die eine besondere Entwicklung begründen. Dadurch steigt auch die Qualität der Forecasts weiter an.
KI-gestützter Forecasting-Prozess
Das zweite große
Problemfeld, das die Befragten angesprochen haben, ist der prozessuale Ablauf des Forecastings. Auch hier stellten sich einige Herausforderungen heraus, denen die Controller gegenüberstehen. Der Prozess dauert mit drei bis vier Tagen sehr lange. Auch ist das Team in der Regel auf die direkte oder indirekte Zuarbeit von sehr vielen Kollegen angewiesen. Die vorläufigen Ergebnisse müssen immer wieder in größerer Runde besprochen und auf der Basis von Marktanalysen angepasst werden.
Erst im Anschluss an diese Treffen wird der Forecast finalisiert. Hierauf folgt die Kommentierung der Geschäftsvorfälle. Nach eigenen Angaben fehlen den befragten Controllern gerade hier zeitliche Ressourcen. Grund hierfür ist der Aufwand, der mit dem
Forecasting-Prozess verbunden ist.
Wie also würde sich ein KI-Modell auf den
prozessualen Vorgang der Anfertigung des Forecastings auswirken? Diese Frage soll im nächsten Abschnitt dieses Punktes näher untersucht werden. Wie in den Punkten zuvor dargestellt, wirkt sich die bloße Einführung auf den Forecasting-Prozess aus. Denn durch die Einführung eines KI-Modells verändert sich bereits der erste von den Befragten genannte Schritt.
Im
konventionellen Forecasting müssen Controller ein Datenextrakt aus dem ERP-System herunterladen, aufbereiten und dann in ein Excel-Arbeitsblatt hineinkopieren, um den vorläufigen Forecast-Wert zu ermitteln. Dieser Schritt entfällt durch die Einbindung der KI gänzlich. Das Modell greift über einen Schnittpunkt mit dem ERP-System direkt auf die nötigen Daten zu und errechnet einen Forecast-Wert auf der Basis des Trainings. Diesen Forecast-Wert erhält der Controller auf Knopfdruck und muss selbst keine weitere Zeit oder Mühe aufbringen.
Bisher mussten Controller bereits an diesem Punkt nach
Auffälligkeiten in den Daten suchen, wenn der Forecast auffällig war. Auch dies kann bereits im Rahmen der Berechnung durch das KI-Modell geschehen. Das Modell könnte auch in dem verwendeten Datensatz aus dem ERP-System nach Auffälligkeiten suchen, die eine bestimmte Entwicklung erklären könnten. Zwar bedeutet dies nicht, dass die Controller künftig diese erste Analyse nicht mehr anstellen müssen. Die Analyse könnte jedoch ebenfalls stark an Umfang und Komplexität verlieren, was weitere Einsparungen von Zeit für die Controller bedeutet.
Nach diesem Schritt folgt im konventionellen Forecasting die Besprechung des Forecastings in einem größeren Meeting, in dem gesondert auf
Risiken eingegangen wird, die die Erreichung des Forecasts gefährden. Ob sich dieser Schritt in der Zukunft durch die KI verändern wird, hängt insbesondere auch von der Grundlage der Risiken ab. Handelt es sich dabei etwa um nicht
quantitative Daten, sondern
qualitative Meinungen, dann kommt das Team nicht drum herum, diese Meetings abzuhalten. Handelt es sich jedoch um quantitative Daten, deren Auswertung zu einer Reduktion des Forecasts führen kann, dann könnte auch hier die Vorarbeit durch das KI-Modell übernommen werden.
Wenn die Grundlage datenbasiert ist, kann und sollte sie auch in das Training des Modells einbezogen werden. Diese Veränderung würde also dazu führen, dass zusätzliche Meetings künftig entfallen, weil die Informationen aus diesen bereits durch das Modell in den Forecast eingeflossen sind. Die letzte Phase des
konventionellen Forecasting-Prozesses wurde von den Controllern so beschrieben, dass die Forecast-Werte in einer Präsentation aufbereitet werden.
Hierzu gehört auch das Versehen der Zahlen mit den angesprochenen Kommentaren. Mit dieser Präsentation werden die Ergebnisse dem höheren Management vorgetragen. Die Vertreter des höheren Managements haben dabei die Möglichkeit, die Ergebnisse zu hinterfragen. Danach können die Ergebnisse ein weiteres Mal angepasst werden. Sollte dem nicht so sein, dann wird der Forecast bestätigt. Die Einführung der KI wird diesen Schritt nicht wesentlich verändern.
Die Ergebnisse müssen der nächsthöheren Ebene berichtet werden. Die KI könnte jedoch dafür sorgen, dass sich die Berührungspunkte des höheren Managements und des Forecastings erhöhen. Denn einer der befragten Controller berichtete auch davon, dass bei ihnen der Forecast
einmal im Monat in umfangreicher Form angefertigt werden muss, und wöchentlich weniger umfangreich. Diese weniger umfangreichen Forecasts könnten mithilfe des KI-Modells mit den vorläufigen Ergebnissen des Modells aus dem ersten Schritt ersetzt werden. Die Controller in Unternehmen, in denen die Forecasts mit erhöhter Frequenz durchgeführt werden, wären dann in dem Zeitraum zwischen den Forecasts weniger ausgelastet und könnten ihre Zeit in andere Tätigkeiten investieren.
Neue Aufgabenbereiche im KI-gestützten Forecasting
Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass sich die Rolle von Controllern im Zuge der Integration künstlicher Intelligenz (KI) im Forecasting grundlegend verändern wird. Während der klassische Forecasting-Prozess durch manuelle Datenerhebung und -analyse geprägt ist, ermöglicht die Automatisierung durch KI künftig eine erhebliche Entlastung bei analytischen Routinetätigkeiten. Dadurch gewinnen Controller Zeit für
strategischere Aufgaben, insbesondere für die Kommentierung und Interpretation der
Forecast-Ergebnisse – eine Tätigkeit, die von den Befragten als
zentrale Aufgabe hervorgehoben wurde.
Die Rolle der Controller als
Informationslieferanten für das
Top-Management wird dadurch nicht abgelöst, sondern gestärkt. Da KI-Systeme jedoch trotz hoher Leistungsfähigkeit nicht ohne kritische Reflexion genutzt werden sollten, bleibt ein fundiertes analytisches Verständnis auf Seiten der Controller weiterhin essenziell – nicht in der praktischen Anwendung komplexer Berechnungen, sondern in der Bewertung und Einordnung der Ergebnisse.
Aus diesen Veränderungen ergeben sich zwei neue
Rollenerweiterungen im Controlling: der "Management-Berater" und der "KI-Trainer". Der Management-Berater übernimmt künftig eine stärker kommunikative und interpretative Rolle. Er agiert als Bindeglied zwischen
operativem Bereich und Managementebene, interpretiert die durch KI generierten Forecasts und entwickelt auf Basis tiefer Geschäftskenntnisse strategische Handlungsempfehlungen. Im Gegensatz dazu fokussiert sich der KI-Trainer auf die technische und methodische Weiterentwicklung des Forecasting-Modells.
Er arbeitet eng mit der IT zusammen, überwacht die Modellgüte und sorgt durch kontinuierliches
Retraining für die Anpassung an veränderte Datenlagen oder Geschäftsanforderungen. Seine Aufgabe liegt primär in der Sicherstellung der Prognosequalität, ohne direkten Kontakt zum Management. Beide Rollen stehen exemplarisch für die
Spezialisierung und Professionalisierung des Controllings in einem zunehmend datengetriebenen Unternehmensumfeld.
Zur Veranschaulichung dieser neuen Rollen werden im folgenden
zwei Szenarien thematisiert, um deren Aufgabenzuschnitt zu verdeutlichen. Zum einen handelt es sich um die Beschreibung des Aufgabenbereichs beim initialen Aufbau des KI-Modells und zum anderen während der Verwendung des Modells. Der Fokus ist je nach
Szenario unterschiedlich.
Bei der initialen Installation des KI-Modells zum Forecasting spielen beide
Controllertypen eine sehr wichtige Rolle. Sie sind im Vorfeld des Aufbaus, also in der Planungsphase, im ständigen Austausch miteinander und mit ihren jeweiligen Partnern. Die Partner des Management-Beraters sind vor allem Vertreter des höheren Managements. Diese spielen bei der Konzipierung eine entscheidende Rolle. Denn sie als Adressaten des Forecastings entscheiden darüber, wie der Forecast aufgebaut sein muss, um ihren Ansprüchen zu genügen. Seine Wünsche teilt das höhere Management dem Management-Berater in verschiedenen Meetings mit.
Es ist an ihm, diese so umzuschreiben, dass der KI-Trainer genau weiß, was gefordert ist, und die Forderungen seinerseits seinen Partnern, also dem
IT-Bereich, in einer Art mitteilen kann, dass diese nachvollziehen können, was von ihnen und dem Modell erwartet wird. Der Managementberater ist im Aufbauprozess in regem Austausch mit dem KI-Trainer und bekommt bis zur Fertigstellung über diesen fortwährend Informationen über den Stand des Aufbaus. Während der gesamten Zeit überwacht der
Management-Berater das Projekt mit, und ist auch in der Testphase als Hauptanwender involviert. In dieser Phase fungiert er als Sparring-Partner des KI-Trainers.
Der KI-Trainer ist in der Phase der Planung in ständigem Austausch mit der IT-Abteilung. Seine Aufgabe ist es, diese über die Erwartungen der Nutzer des Modells zu informieren und die Implementation des Modells aktiv mitzugestalten. Zwar nicht durch direkte Mitarbeit an der Programmierung, sondern an der
Bestimmung des Inputs für das Modell. Darüber hinaus nimmt er eine sehr wichtige Rolle beim Training des Modells ein. Bei der Trainingsmethode wird es sich wahrscheinlich um das überwachte Lernen handeln. Denn das Wunschergebnis der Ausführung des Modells mit Testdaten, bei denen es sich um reale Daten aus vergangenen Perioden handeln muss, ist vorherigen Punkten dieser Arbeit bekannt.
Der KI-Trainer ist es, der im Vorfeld dafür sorgt, dass das Modell so genau wie möglich forecastet. Während der gesamten Zeit haben sowohl der Management-Berater als auch der KI-Trainer eine
Verbindungsfunktion inne. Gemeinsam verbinden sie das höhere Management und die IT-Abteilung.
Nach der
Implementierungsphase arbeiten beide neuen Controller weiterhin gemeinsam. Der Management-Berater ist dafür zuständig, die Forecasts aus dem Modell zu ziehen, und bereitet diese auf. Dafür holt er die Zuarbeit anderer Bereiche ein und passt den Forecast soweit nötig an. Da die vorgelagerten Schritte nicht mehr so viel Zeit in Anspruch nehmen, kann er mehr Zeit in die Kommentierung der Werte investieren. Daher kann er die geschäftlichen Gründe bestimmter Entwicklungen auf sehr granularer Ebene benennen und auf dieser Basis auch
Handlungsempfehlungen geben, um positive Entwicklungen weiter zu verstärken oder um negative Trends einzudämmen. Ihm kommt eine sehr wichtige Rolle zu.
Er entwickelt ein tiefes Verständnis davon, wie das Geschäft funktioniert und wie sich bestimmte Geschäftsvorfälle auf das Unternehmen auswirken. Darüber hinaus muss einem Managementberater vorausgesetzt werden, dass er auch die Marktsituation stets im Blick hat und Veränderungen auf dem Markt schnell erkennt und dafür sorgt, dass diese so früh wie möglich im Forecast widergespiegelt werden. Hier sei erneut auf das Beispiel der angestiegenen Nachfrage nach
Hygieneartikel hingewiesen, welches zu Beginn dieser Arbeit angesprochen wurde. Es ist davon auszugehen, dass sich der Management-Berater perspektivisch wahrscheinlich eher in eine höhere
Management-Rolle hineinentwickeln kann. Daher muss für einen Management-Berater auch ein anderes Anforderungsprofil vorausgesetzt werden als für einen KI-Trainer.
Nach der Implementierungsphase besteht die Hauptaufgabe des KI-Trainers darin, das Modell auf einem Stand zu halten, der es dem
Management-Berater ermöglicht, mit Hilfe des KI-Modells zuverlässige Forecasts zu generieren. Daher muss er das Modell immer wieder testen, um festzustellen, ob die Forecasts auch weiterhin die Anforderungen erfüllt, oder ob es erneut trainiert und neu kalibriert werden muss. Für den Fall, dass sich Rahmenbedingungen verändern (z.B. neue Tools, die eingebunden werden müssen), muss der KI-Trainer erneut als Vermittler zwischen dem IT-Bereich und den Nutzern des Modells (allem voran dem Management-Berater) dienen.
Aufgrund seines Wissens im technischen Bereich des Trainings des KI-Modells entwickelt sich der KI-Trainier immer mehr zu einem Experten, der in der Lage ist, dafür zu sorgen, dass Veränderungen des Modells sehr schnell umgesetzt werden können. Sein Einblick in den IT-Bereich, gepaart mit seinem
Controlling-Hintergrund befähigen ihn insbesondere hierzu. Perspektivisch ist davon auszugehen, dass sich der KI-Trainier seltener in das höhere Management hineinentwickelt. Dies liegt vor allem in seiner technischen Ausrichtung begründet. Daher muss für einen KI-Trainer ein anderes Anforderungsprofil vorausgesetzt werden als für einen Managementberater.
letzte Änderung P.D.M.B.
am 17.07.2025
Autor:
Boehle, Marco & Günes, Vedat
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Autor:in
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Herr Prof. Dr. Marco Boehle
Herr Marco Boehle ist Professor für Betriebswirtschaftslehre, insb. Rechnungswesen und Controlling. Er lehrt an der Fachhochschule Dortmund sowie forscht und berät Unternehmen zu den Themen proaktives, dynamisches Kostenmanagement, Digitales Controlling und zu modernen Vertriebsmethoden. Neben seiner Berufszeit in der Steuerberatung war er mehrere Jahre als Berater und Projektleiter bei der DATEV eG für die Zielgruppe der Mittelständler und des Public Sectors tätig. Deine Dissertation behandelt das Thema Wirkungsorientierung zur strategischen Steuerung öffentlicher Einrichtungen.
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