Korruption ist kein wirklich neues
Kriminalitätsphänomen in Europa. Seit der Flick-Affäre im Jahr 1975 wurde von den
Medien verstärkt über
Korruption als Teil der Wirtschaftskriminalität berichtet. Die Aufmerksamkeit der Medien konzentriert sich dabei hauptsächlich auf
einzelne Repräsentanten aus Staat, Politik und Wirtschaft. In den Medien wurden vor allem die großen Fälle, in denen öffentliche und private Unternehmen betroffen waren, wie z. B. der Watergate- und der Lockheed-Skandal in den USA, publiziert und öffentlich diskutiert.
Natürlich sind die Mitarbeiter in öffentlichen und privaten Unternehmen in den meisten Fällen unbestechlich, lehnen korruptive Praktiken überwiegend ab und räumen der Bekämpfung aller Formen der
Korruption einen hohen Rang ein. Die Korruptionsexperten gehen bei den großen Korruptionsfällen allerdings davon aus, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt, sondern dass ein
systembedingtes Korruptionsproblem in öffentlichen und privaten Unternehmen vorliegt. Während Deutschland bei dem jährlich von Transparency International ermittelten
Korruptionswahrnehmungsindex unverändert auf Rang 14 ist, hat sich Österreich vom zwölften auf den sechzehnten Platz verschlechtert.
1. Wirtschaftskriminalität – Korruption
Die Entwicklung verschiedener
Korruptionsbekämpfungsgesetze in Deutschland und Österreich, die Umsetzung in den einzelnen öffentlichen und privaten Unternehmen sowie auch verschiedene wissenschaftliche Forschungsprojekte zeigen deutlich an, dass sich in den letzten 15 Jahren der politische Wille zur Bekämpfung der Korruption verstärkt hat. Beispielsweise gibt es in Österreich seit Anfang 2010 das Bundesamt zur
Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung.
Nach einer KPMG-Studie aus dem Jahr 2006 betrachten 71 % der befragten Unternehmen das Phänomen
Wirtschaftskriminalität als ein ernsthaftes Problem für das Wirtschaftsleben. Die befragten Unternehmen waren in den letzten drei Jahren hauptsächlich von
- Diebstahl/Unterschlagung (82 %),
- Untreue (51 %),
- Betrug (40 %) sowie
- Korruption (17 %)
betroffen. Weiterhin schätzen die Unternehmen die
Dunkelziffer im Bereich Wirtschaftskriminalität auf ca. 83 %. Dennoch verbinden nur wenige Unternehmen auch ein erhöhtes eigenes
Risiko mit dieser Einschätzung. Nach der im Jahr 2007 durchgeführten Studie von PricewaterhouseCoopers und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg beträgt der Gesamtschaden, der deutschen Unternehmen allein durch die aufgedeckten Delikte entstanden ist, ca. 6 Mrd. Euro pro Jahr. In dieser Summe sind
Managementkosten zur Bewältigung der Kriminalitätsfolgen von rund 1,75 Mrd. Euro berücksichtigt, nicht jedoch Verluste von Privatpersonen.
Die einzelnen Wissenschaften definieren Korruption sehr unterschiedlich. In Seminaren wird der wirtschaftsethische, wirtschaftswissenschaftliche sowie der im Strafgesetzbuch normierte Tatbestand wie beispielsweise Vorteilsannahme/Vorteilsgewährung sowie Bestechlichkeit/Bestechung zugrunde gelegt. Der Begriff Korruption wird in der Wirtschaftsethik als
normwidriges Verhalten eines Funktionsträgers beschrieben. Der Anwendungsbereich erstreckt sich von unmoralischem Verhalten bis zur Erfüllung von strafrechtlichen Tatbeständen für Bestechungsfälle.
Der Begriff "Funktionsträger" weist darauf hin, dass ein
Prinzipal-Agent-Verhältnis vorliegt, jemand im Auftrag eines anderen tätig wird. Der Begriff "Normwidrigkeit" beschreibt eine Regelverletzung des Agenten. Durch die Rechtsordnung (Gesetze, Erlässe, Compliance-Richtlinien) ist es u. a. den Agenten verboten, Geschenke anzunehmen. Das nicht integre Verhalten des Mitarbeiters ist gekennzeichnet von mangelnder Ehrlichkeit, Gewissenshaftigkeit und Vertrauenswürdigkeit und beeinträchtigt die Unternehmenskultur sowie den langfristigen Erfolg des Unternehmens.
Aus der Sichtweise der
Wirtschaftswissenschaft handelt es sich um einen nicht legalen Tausch zwischen dem Agenten und dem Klienten, bei dem der Agent durch Missbrauch der Vertrauensstellung zwischen ihm und dem Prinzipal eine nicht erlaubte Handlung als Leistung erbringt. Hierdurch entsteht dem Prinzipal und dem Wettbewerber ein Schaden.
2. Der Begriff Korruptionscontrolling und das Korruptionscontrollingmodell
Der englische Begriff "controlling corruption" wurde im Jahr 1988 erstmals von Klitgaard verwendet. Im deutschsprachigen Raum forderte Schaupensteiner 1994 ein gezieltes Korruptionscontrolling zur
Korruptionsbekämpfung. Im Jahre 2006 entwickelte Stierle im Rahmen einer Forschungsarbeit an der Bergischen Universität Wuppertal auf der formalen Grundlage der Agency-Theorie ein
Korruptionscontrollingmodell mit den Akteuren Prinzipal, Agent und Klient. Dieses Modell wurde mit seinen Prämissen, Grundbeziehungen und Elementen sowie den Zielen, Verhaltensnormen und Verhaltensweisen der Akteure in öffentlichen und privaten Unternehmen beschrieben.
Abb. 1: Beziehungen im Prinzipal-Agenten-Klienten-Modell
Abbildung 1 stellt die Beziehungen zwischen den Akteuren im
Grundmodell dar. Aufgrund dieses Modells konnte der folgende deutsche Begriff entwickelt werden:
Korruptionscontrolling ist die planmäßige und systematische Minimierung von korruptions-bedingten Risiken/Schäden durch den Prinzipal bzw. die externen/internen Prüfungs- und Kontrollorgane des öffentlichen/privaten Unternehmens durch die Implementierung eines
Frühwarnsystems, die Steuerung der Aufbau- und Ablauforganisation sowie die Steuerung der Mitarbeiter und Kunden/Lieferanten.
Download des vollständigen Beitrages:
Korruptionscontrolling und Compliance
letzte Änderung D.J.S.
am 17.08.2024
Autor:
Dr. Jürgen Stierle
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Autor:in
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Herr Dr. Jürgen Stierle
Als Diplom-Kaufmann leitet er seit 1996 als Geschäftsführer das Trainings-und Beratungsunternehmen Stierle-Consulting und führt mit seinem Team u.a. Seminare, Coaching und Projekte in den Bereichen Gesundheitscontrolling, Korruptionscontrolling, Compliance, Unternehmensführung, Personalmanagement und Verkauf in öffentlichen und privaten Unternehmen durch. Er promovierte im Jahr 2005 an der bergischen Universität Wuppertal mit dem Thema „Korruptionscontrolling in öffentlichen und privaten Unternehmen“. Seit 2007 motiviert und fördert er als Lehrbeauftragter die Studenten verschied. Hochschulen.
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