![Die EU-Taxonomie]()
Der vollständige Name der Verordnung, die unter dem Namen
EU-Taxonomie bekannt geworden ist, lautet:
„VERORDNUNG (EU) 2020/852 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 18. Juni 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088“ [1]
In diesem Namen ist bereits die wichtigste Zielsetzung der Verordnung benannt, nämlich die Erleichterung nachhaltiger Investitionen. Zur Unterstützung dieser Zielsetzung wurde mit der EU-Taxonomie ein Mess-System entwickelt, das den Grad der
Taxonomiekonformität (frei übersetzt: der Nachhaltigkeit) von Unternehmen einheitlich messen und diesen damit für potenzielle Investoren transparent(er) machen soll.
Entsprechend der übergeordneten Zielsetzung im Sinne des
europäischen Green Deal sollen Investitionen also stärker in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten gelenkt werden. Natürlich kann die Reaktion der Wirtschaftsteilnehmer auf die Veröffentlichungen aus der EU-Taxonomie nicht vorhergesagt werden. Der Erfolg der Verordnung im Sinne ihrer Zielsetzung ist also keineswegs sicher.
Neben der Pflicht zur Berichterstattung ist die EU-Taxonomie auch als Steuerungsinstrument für Unternehmen gedacht, die aus eigenem Antrieb nachhaltiger agieren wollen. Sie sollen damit leichter an „grüne“ Finanzierungsmöglichkeiten gelangen können.
Die sechs Umweltziele der EU-Taxonomie
Den grundlegenden Anlass für die Entwicklung der EU-Taxonomie hat die EU-Kommission selbst in Absatz (7) der Verordnung wie folgt formuliert:
„(7) Angesichts des systemischen Charakters der globalen Umweltprobleme bedarf es eines system- und zukunftsorientierten Ansatzes für die ökologische Nachhaltigkeit, mit dem den zunehmenden negativen Trends wie Klimawandel, Verlust an biologischer Vielfalt, weltweit übermäßige Inanspruchnahme von Ressourcen, Nahrungsknappheit, Ozonabbau, Versauerung der Ozeane, Verschlechterung des Süßwassersystems und Landsystemwandel sowie das Aufkommen neuer Bedrohungen, einschließlich gefährlicher Chemikalien und ihrer kombinierten Wirkungen, begegnet wird.“
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Aus der Notwendigkeit heraus, für den Erhalt bzw. die Wiederherstellung ökologischer Nachhaltigkeit einzutreten, wurden die folgenden sechs Umweltziele für die EU-Taxonomie abgeleitet.
Die Grundidee der EU-Taxonomie ist dabei grob gesagt die Folgende: Alle Unternehmen, die für eines oder mehrere dieser sechs Umweltziele einen positiven Beitrag leisten, sollen im Sinne der Nachhaltigkeit „punkten“ können. Wie stark dieser Beitrag ist, soll mit Hilfe eines im Rahmen der EU-Taxonomie zur Verfügung gestellten
einheitlichen Klassifikationssystems gemessen werden.
Vier Prüfschritte zur Taxonomiekonformität
Das Klassifikationssystem besteht in einem umfangreichen Prüfsystem mit detailliert beschriebenen Prüfkriterien. Dabei sind für jedes betroffene Unternehmen und seine Wirtschaftsaktivitäten die folgenden vier Prüfschritte zu durchlaufen:
- Prüfung auf Taxonomiefähigkeit
- Prüfung auf positiven Beitrag zu einem oder mehreren Umweltzielen
- Prüfung des „Do No Significant Harm”-Kriteriums (DNSH)
- Prüfung der Einhaltung von Mindeststandards (Menschenrechte)
Neben der Prüfung, ob das Unternehmen einen positiven Beitrag zu einem Umweltziel leistet, muss also zusätzlich geprüft werden, ob es dabei nicht andere Umweltziele beeinträchtigt (DNSH) und ob gewisse Mindeststandards eingehalten werden. Erst wenn alle vier Schritte mit einem positiven Ergebnis durchlaufen wurden, kann eine Wirtschaftsaktivität als
taxonomiekonform (= nachhaltig) bezeichnet werden.
Die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens besteht in der Regel aus mehreren unterschiedlichen Wirtschaftsaktivitäten. Die Prüfschritte müssen demnach einzeln für jede Wirtschaftsaktivität des Unternehmens durchlaufen werden. Dabei orientiert sich die Liste der Wirtschaftsaktivitäten, die für die EU-Taxonomie relevant sind, u.a. an den so genannten
Nace-Codes [2]. Die Nace-Code-Liste ist eine Klassifikation der Wirtschaftszweige, die bereits seit 1970 in mehrfach aktualisierten Versionen existiert.
Zu Schritt 1.: Prüfung auf Taxonomiefähigkeit
Zunächst muss geprüft werden, ob eine Wirtschaftsaktivität taxonomiefähig ist, d.h. ob sie überhaupt die Möglichkeit hat, später als taxonomiekonform (= nachhaltig) eingestuft zu werden. Das hängt ganz schlicht davon ab, ob man sie in der Liste aller Wirtschaftsaktivitäten der EU-Taxonomie finden kann. Diese Liste wird regelmäßig aktualisiert und erweitert; seit ihrer ersten Veröffentlichung hat sie bereits mehrere Erweiterungen erfahren. Den aktuellen Stand kann man auf der Internetseite des so genannten
taxonomy compass [3] finden (in englischer Sprache), aber auch (in allen Sprachen der EU) in den verschiedenen Ergänzungen der Taxonomie-Verordnung, die von der EU-Kommission veröffentlicht werden. Derzeit (Oktober 2025) enthält diese Liste ca. 150 verschiedene Wirtschaftsaktivitäten.
Findet man keine der im eigenen Unternehmen ausgeübten Wirtschaftsaktivitäten in der Liste, gilt das gesamte Unternehmen als nicht taxonomiefähig. Diese Situation entlastet das Unternehmen zwar von der Pflicht zur Erfassung eventueller KPIs, verwehrt ihm damit aber auch die Möglichkeit, sich als nachhaltiges Unternehmen zu präsentieren. Das trifft insbesondere auf Unternehmen zu, die bisher überwiegend im sozialen Bereich „punkten“ könnten, da bisher nur die sechs ökologischen Ziele in der EU-Taxonomie definiert und mit Prüfkriterien versehen sind. Ursprünglich war auch eine Ausweitung auf soziale Kriterien vorgesehen. Es ist aber nicht klar, ob das zu einem späteren Zeitpunkt noch umgesetzt werden wird.
Die Liste der Wirtschaftsaktivitäten in der EU-Taxonomie enthält keine Branchenbezeichnungen wie z.B. „Herstellung von Automobilen“. Stattdessen sind nur diejenigen Aktivitäten angegeben, von denen man erwarten kann, dass sie möglicherweise einen positiven Beitrag zu einem der Umweltziele leisten könnten. Die politisch umstrittene Aufnahme von Kernkraft und Gas in die Liste bedeutete z.B. nicht, dass diese automatisch als nachhaltig eingestuft wurden. Ohne die Aufnahme hätten sie aber gar nicht erst daraufhin geprüft werden können.
Für die Branche der Automobilherstellung findet sich z.B. die Wirtschaftsaktivität „Herstellung von CO2-armen Verkehrstechnologien“ in der Liste. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass nicht CO2-arme Verkehrstechnologien („Verbrenner“) gar nicht erst gelistet sind und damit auch nicht geprüft werden können, weil man davon ausgeht, dass sie per se keinen positiven Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten (können).
Zu Schritt 2.: Prüfung auf positiven Beitrag
Nachdem man eine oder mehrere Wirtschaftsaktivitäten in der Liste identifiziert hat, muss geprüft werden, ob diese tatsächlich einen positiven Beitrag zu einem oder mehreren Umweltzielen leistet(n). Die EU-Taxonomie gibt hier konkrete
Kriterien und Grenzwerte vor, anhand derer entschieden werden muss, ob ein positiver Beitrag vorliegt oder nicht.
Ein Beispiel: Ein positiver Beitrag zum Klimaschutz (Umweltziel 1) liegt bei der Herstellung von Automobilen dann vor, wenn diese auf einer CO2-neutralen Verkehrstechnologie basieren. Das trifft z.B. für Elektro-Fahrzeuge zu. Wenn alle vorgegebenen Prüfkriterien für eine Wirtschaftsaktivität in Bezug auf ein oder mehrere Umweltziele eingehalten werden, dann gilt die Wirtschaftsaktivität weiterhin als potenziell taxonomiekonform und man kann mit Schritt 3 fortfahren. Andernfalls gilt die Wirtschaftsaktivität zwar als grundsätzlich taxonomiefähig, aber als nicht taxonomiekonform.
Zu Schritt 3.: Prüfung auf Beeinträchtigung anderer Umweltziele (DNSH)
Für jede Wirtschaftsaktivität, für die ein positiver Beitrag festgestellt werden konnte, muss anschließend geprüft werden, ob diese nicht gleichzeitig einem oder mehreren der anderen Umweltziele schadet. Das kann z.B. der Fall sein, wenn zwar einerseits Aktivitäten zur Anpassung an den Klimawandel durchgeführt werden (positiver Beitrag zu Umweltziel 2), wie z.B. der Bau eines Damms gegen Überschwemmungen, diese aber z.B. dem Umweltziel 6 schaden, weil Ökosysteme in Mitleidenschaft gezogen werden.
Nur, wenn keine anderen Umweltziele beeinträchtigt werden, gilt die entsprechende Wirtschaftsaktivität weiter als
potenziell taxonomiekonform.
Zu Schritt 4.: Erfüllung der Mindeststandards
Zuletzt muss die Einhaltung der vorgegebenen Mindeststandards (Menschenrechte) geprüft werden. Bei diesen Mindeststandards handelt es sich um die „OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und der Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte, einschließlich der Grundsätze und Rechte, die in den acht grundlegenden Übereinkommen der Erklärung der Internationalen Arbeitsorganisation über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit und in der Internationalen Charta der Menschenrechte festgelegt sind.“
Erst wenn alle vier Schritte mit positivem Ergebnis durchlaufen sind, ist die geprüfte Wirtschaftsaktivität als
taxonomiekonform einzustufen.
In der folgenden Tabelle sind noch einmal die vier Schritte in Form eines Prüfschemas zusammengefasst dargestellt.
Berechnung der KPIs
Wenn alle vier Prüfschritte erfolgreich abgeschlossen sind, müssen Nicht-Finanz-Unternehmen
[4] die folgenden drei KPIs berechnen und auf vorgeschriebenen Meldebögen im Lagebericht veröffentlichen:
- Anteil taxonomiekonformer Umsatzerlöse an den gesamten Umsatzerlösen des Unternehmens
- Anteil taxonomiekonformer Investitionsausgaben an den gesamten Investitionsausgaben des Unternehmens
- Anteil taxonomiekonformer Betriebsausgaben an den relevanten Betriebsausgaben
Jede KPI kann Werte zwischen 0 % und 100 % erreichen. Ein Wert von 100 % für ein Unternehmen würde bedeuten, dass das Unternehmen insgesamt taxonomiekonform (nachhaltig) wäre.
Um eine Vorstellung davon zu bekommen, in welchem Bereich sich die Zahlen in der Realität bewegen, hier ein Beispiel für die deutsche Automobilindustrie
[5]:
Von dem Gesamtumsatz von BMW waren demnach z.B. im Jahr 2024 15 % taxonomiekonform. Das betrifft die Umsatzanteile der Wirtschaftsaktivitäten „Herstellung von CO2-armen Verkehrstechnologien und „Beförderung mit Motorrädern, Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen“ am Gesamtumsatz von BMW. Bei VW ist der Umsatzanteil von 2023 auf 2024 sogar gesunken, und zwar auf einen noch niedrigeren Wert als im Jahr 2022. Dasselbe gilt für den taxonomiekonformen Investitionsausgabenanteil und den taxonomiekonformen Anteil der Betriebsausgaben von VW.
Über alle drei Jahre und alle drei Unternehmen ist der taxonomiekonforme Anteil der Investitionsausgaben deutlich größer als der taxonomiekonforme Umsatzanteil. Die Unternehmen investieren also stärker in eine nachhaltige Zukunft, als sie derzeit „unterwegs sind“. Aber auch diese Anteile liegen immer noch sehr deutlich unter 50 %.
Wie geht es jetzt weiter?
Nachdem die EU-Taxonomie bereits einige Jahre in Kraft war, hat die EU-Kommission – ausgelöst durch die Einführung der CSRD
[6] – ein so genanntes „Omnibus-Paket“ veröffentlicht. Die große Zahl an Einwänden gegen den Umfang und den Aufwand für die Nachhaltigkeits-Berichterstattung veranlasste die EU-Kommission dazu, Vorschläge für deren Vereinfachung vorzulegen.
Inhaltlich beziehen sich die Vorschläge für die EU-Taxonomie z.B. auf eine Vereinfachung der Prüfung im Rahmen der DNSH-Kriterien. Außerdem könnte für Nicht-Finanzunternehmen eine Wesentlichkeitsschwelle eingeführt werden. So könnten Aktivitäten z.B. als unwesentlich gelten (und somit nicht einbezogen werden), wenn sie weniger als 10 % des Gesamtumsatzes, der Investitionsausgaben (CapEx) oder der Betriebsausgaben (OpEx) eines Unternehmens ausmachen.
[7]
Der Delegierte Rechtsakt, der diese Vorschläge enthält, wurde dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union zur Prüfung vorgelegt. Voraussichtlich bis Ende des Jahres 2025 wird darüber entschieden werden. In diesem Zusammenhang gibt es zusätzlich die Überlegung, den Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen doch nicht so stark auszuweiten, wie ursprünglich geplant.
Für die EU-Taxonomie sind seit 2020 alle Unternehmen berichtspflichtig, die vorher schon nach NFRD
[8] nachhaltigkeitsberichtspflichtig waren. Mit dem Geschäftsjahr 2025 sollten zu den nach NFRD berichtspflichtigen Unternehmen zusätzlich alle „großen Unternehmen“
[9] in die Berichtspflicht aufgenommen werden. Im Rahmen des Omnibus-Pakets wurde aber eine so genannte „Stop-the-clock-Regelung“ eingeführt, die diesen Start um zwei Jahre verschiebt, so dass die Regelung – wenn sie denn zum Tragen kommt – erst mit dem Geschäftsjahr 2027 zu erfüllen ist.
Außerdem werden für die EU-Taxonomie möglicherweise nicht alle großen Unternehmen berichtspflichtig, sondern nur Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitenden und einem Umsatz, der größer als 450 Mio. Euro ist. Die endgültige Entscheidung darüber steht noch aus.
Inwieweit die Einführung der EU-Taxonomie tatsächlich zu einer nachhaltigeren Allokation von Finanzströmen beiträgt, wird sich – auch aufgrund der noch zu erwartenden Veränderungen – vermutlich erst in einigen Jahren zeigen. Erste Untersuchungen dazu sind aber bereits auf dem Weg.
Fußnoten:
letzte Änderung P.D.U.B.
am 06.10.2025
Autor:
Prof. Dr. Ursula Binder
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Autor:in
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Frau Prof. Dr. Ursula Binder
Professorin für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Rechnungswesen und Controlling an der TH Köln, vorher kaufmännische Leiterin eines mittelständischen Dienstleistungsunternehmens, Unternehmensberaterin, Seminarleiterin (Inhouse und öffentliche Seminare), Verfasserin von Lernbriefen für das Fernstudium, Autorin: Nachhaltigkeitsberichterstattung in mittelständischen Unternehmen, Haufe 2024, Schnelleinstieg Controlling, 8. Auflage 2023, Die 5 wichtigsten Steuerungsinstrumente für kleine Unternehmen, 1. Auflage 2017, Kennzahlen-Guide für Controller, 1. Auflage 2019.
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