Es war wieder soweit. Nach einer anstrengenden Woche trafen sich die erfolgreichen Unternehmer der Kleinstadt wieder im örtlichen Golfclub, weniger des Sportes wegen, sondern hauptsächlich, um unter sich zu sein. Sie saßen im gemütlichen Kaminzimmer und wurden von Ihrer Lieblingskellnerin Pauline bedient. Sie war BWL-Studentin und freute sich schon immer auf die Unternehmerrunde.
Neben den großzügigen Trinkgeldern gab es häufig amüsante Streitgespräche, im Laufe derer die Unternehmer ihr Praxisferne vorwarfen, sie aber häufig mit neuen betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen ganz frisch aus der Vorlesung für Verblüffung sorgen konnte. Dies war für die erfolgsgewohnten Unternehmer nicht ganz unwichtig, denn als Patriarchen der alten Schule gab es in ihren Unternehmen keine ausgeprägte Diskussionskultur. Viele ihrer Mitarbeiter hatten sich damit abgefunden, dass der Chef immer Recht hatte und wagten kaum noch, auf Probleme hinzuweisen. Auch deswegen war der Golfclub nützlich, denn von Kollegen konnte man ja Ratschläge (und natürlich Aufträge) annehmen.
Der Ablauf der munteren Runde startete immer gleich. Nachdem jeder unaufgefordert sein Lieblingsgetränk erhalten hatte, wurde gefragt: „Nun, Paulinchen, was hast Du denn diese Woche Besonderes an der Hochschule gelernt?“ Meist wurde noch ein Studentenwitz angehängt (schön, dass Du uns zuliebe schon um 15 Uhr aufgestanden bist).
Als Pauline an diesem Tag das Kaminzimmer mit den Lieblingsgetränken betrat, erzählte Norbert Neureich, der mit einigen Bodenspekulationen zu großem Reichtum gekommen war, wie er seine Gelder anlegte. Da fast alle aus der Runde ähnliche „Probleme“ hatten, war ihm die Aufmerksamkeit gewiss. Er führte aus: „Ich möchte wissen, welche Bank bzw. welcher Vermögensverwalter das Beste für mich herausholt. Die schwätzen ja viel, wenn der Tag lang ist. Daher habe ich einen Wettbewerb gestartet. Einige Banken bzw. Vermögensverwalter bekommen einen größeren Betrag von mir und sollen den Wert innerhalb von 2 Jahren maximal steigern. Nächste Woche will ich die Verträge unterschreiben.“
Kurt Kappe, der Hersteller von Flaschenverschlüssen, fragte: „Du willst sie also gegeneinander antreten lassen?“
„Ja genau“ war die Antwort. „Ihr hättet mal die dummen Gesichter sehen sollen, als die Banker und Vermögensverwalter erfuhren, dass sie nicht das gesamte Mandat bekommen werden, sondern im direkten Wettbewerb mit anderen Banken und Vermögensverwaltern stehen werden.“
Bankdirektor Zacharias Zaster fand das natürlich nicht lustig, machte aber gute Miene zum bösen Spiel: „Hast Du denn weitere Regeln vorgegeben, z. B., dass nicht in Bitcoins investiert werden darf?“
Norbert Neureich stutzte. Gleichzeitig betrat Pauline den Raum, um neue Bestellungen aufzunehmen. Sie wurde gleich gefragt, welche Regeln sie denn vorgeben würde.
Pauline antwortete: „Das Anlageproblem habe ich leider nicht, aber ich würde wohl darauf dringen, dass Umweltstandards eingehalten werden. Aktien von Unternehmen, die in Naturschutzgebieten nach Öl bohren, würde ich nicht akzeptieren. Auch Kinderarbeit sollten die Unternehmen nicht betreiben. Die UN hat doch einen Forderungskatalog herausgegeben. Leider weiß ich nicht mehr, wie der heißt.“
Dieter Durchblick, der Wirtschaftsredakteur, half: „Prima Pauline, Du meinst sicher den Pakt mit den 10 Prinzipien der Vereinten Nationen (UN Global Compact), welche zuerst die Einhaltung der Menschenrechte fordern, aber auch Weiteres wie den Verzicht auf Kinderarbeit, Korruption usw..
Norbert Neureich wurde blass: „Ich muss zugeben, dass ich bisher keinerlei Vorgaben gemacht habe, um die Kreativität der Vermögensverwalter nicht einzuschränken. Das ist vielleicht nicht ganz richtig.“
Und es kam noch schlimmer für ihn, weil Stefan Steuer, der Chefcontroller eines großen Markenunternehmens, fragte: „Hast Du denn bestimmte Risiken ausgeschlossen, dass z. B. nicht geleveraged werden darf?“
„Was soll denn das heißen?“ fragte Bernhard Brumm, der Spediteur, und wandte sich an Pauline: „Bestimmt wieder so ein moderner Uni-Quatsch.“
Letzte Änderung W.V.R am 21.09.2020
Autor(en):
Dr. Peter Hoberg
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