wie so viele Kennziffern kann man das WC unterschiedlich interpretieren. Vielleicht hilft es, sich die Working-Capital-Ratio als Liquidität 3. Grades vorzustellen.
Die Liquidität 3. Grades ist ja die Liquidität 2. Grades, plus die Vorräte. Das ist hinreichend ungenau, denn in der Realität würde ich unterscheiden zwischen RHB-Stoffen und Fertig-/Halbfertigprodukten.
Es stellt sich ja grundsätzlich die Frage, warum Vorräte als Liquidität gesehen werden sollen. Da stellt man sich am einfachsten den betriebswirtschaftlichen Leistungsprozess bildlich vor.
Liquidität 1. Grades sind die Mittel höchster Liquidität wie Kasse und Bank. Bei der Berechnung der Liquidität 2. Grades kommen die Forderungen aus L+L dazu, weil die bald bezahlt und somit zu Kasse/Bank werden.
Dann geht man bei der Liquidität 3. Grades einen weiteren Schritt zurück und argumentiert, dass die Fertigprodukte bald verkauft werden, dann zu Forderungen aus L+L werden, dann zu Kasse/Bank.
Bei den Rohstoffvorräten dann einen weiteren Schritt zurück, d. h. die werden zu Fertigprodukten, dann zu Forderungen aus L+L , dann zu Kasse/Bank.
Die Geschichte ergibt natürlich nur dann einen Sinn, wenn die Fristenkongruenz eingehalten wird. Ein Bäcker, der am Montag in Polen für 5 Cent das Stück Brezelteiglinge kauft und die am Dienstag zu Brezeln aufbackt und für 65 Cent verkauft, hat binnen zwei Tagen aus Rohstoffen "Cash in de Däsch" gemacht.
Bei Stahlblechen vom Daimler ergibt die Rechnung deutlich weniger Sinn, weil da Monate vergehen können, während die Liquidität vielleicht kurzfristiger benötigt wird.
Zum Zusammenhang zwischen WC und Cashflow: Im Beispiel von ctv erhöht sich der Cashflow, denn es werden Cash-Senken abgebaut (Forderungen aus L+L, Vorräte). Allerdings ist dieser Effekt ja nicht endlos reproduzierbar, also überspitzt formuliert ein Einmaleffekt. Sinnvoller wäre, den CF z. B. schlicht über eine Steigerung des Jahresüberschusses zu erhöhen.
Die Situation UV = 50, kurzfr. FK =150 ist ja schon kritisch, denn die Differenz von 100 bedeutet ja, dass langfristiges Vermögen kurzfristig finanziert wurde. Kein Grund, zum Strick zu greifen, aber dann muss irgendwann umfinanziert werden, und wenn da die Bank nicht mitmacht klopft vielleicht wirklich der Insolvenzverwalter an.
Mit einer hohen Eigenkapital-Quote kann man die Situation freilich entspannter sehen. Dann aber biegen die Fetischisten des Leverage-Effektes um die Ecke und monieren die zu hohe EK-Quote.
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Aber noch was konkretes: Inwiefern beeinflusst ein zu hohes WC die EKR? Weil bei einem niedrigen WC die Bilanz verkürzt werden kann und somit weniger EK nötig ist? |
Angenommen, man hat 1.000.000 EK. Einer bietet mir 5 % für 600.000, ein anderer 4 % für 1.000.000 €. Was ist besser? Das hängt ja offenkundig davon ab, was ich mit den 400.000 € erzielen kann.
Die Finanzkrise hat ja die Grenzen der Schuldenwirtschaft deutlich gemacht. Die Hütchenspieler taten so, als sei die Gesamtkapitalrentabilität eine unveränderliche Größe und rechneten vor, dass bei einem Fremdkapitalzins von 5 % und einer Gesamtkapitalrentabilität von 7 % die Eigenkapitalrentabilität hochgehebelt werden kann.
Als das Schneeballsystem zusammenbrach merkten einige Marktteilnehmer, dass bei bei einem Fremdkapitalzins von 5 % und einer Gesamtkapitalrentabilität von -2 % ihr Vermögen schmolz wie Schnee in der Märzsonne.
LG
-Nausicaa